Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 07.05.2010

Mit Mails, Chuzpe und Salami-Taktik - Millionenfalle 35

Der Traum liegt vorerst auf Eis. Das World Conference Center Bonn (WCCB) sollte der Meilenstein auf Bonns Weg zur UN-Stadt sein. Doch das Millionenprojekt schlidderte, angetrieben von kriminellen Energien und kommunaler Endlos-Toleranz gegenüber dem "Investor" aus Fernost, zunächst in eine Abwärtsspirale, dann in die Phase von Insolvenzen, Razzien und Baustopp, schließlich zum Stillstand auf allen Ebenen.

Das Entsetzen über das, was alles schiefgelaufen ist, hat ein verstörtes Rathaus hinterlassen. Nun dokumentiert das Rechnungsprüfungsamt (RPA) den "Fall WCCB" - und antwortet indirekt auf die Frage: Wie konnte es nur dazu kommen? Vorläufiges Fazit: Nach einem ehernen Gesetz sind gravierende Fehler zu Beginn eines Projekts später nicht mehr auszubügeln, sondern provozieren neue Fehler und sogar Lügen und Betrug - und bis heute schlaflose Nächte für Bonn. So fand die offizielle WCCB-Grundsteinlegung zwar am 15. Mai 2007 statt, aber jene für das WCCB-Chaos erfolgte viel früher. Folgt man der 86-Seiten-Chronologie des RPA (von 475 Seiten), entpuppt sich der vorgegaukelte wirtschaftlich starke Baum des Weltkonzerns Hyundai-Kia bereits 2005/06 als geknickter Strohhalm. Und die Stadt Bonn zog angesichts dieser Erkenntnis nicht die Reißleine.

Rückblende. Im Spätsommer 2005 herrscht hektische Betriebsamkeit, denn im Dezember 2005 soll Man-Ki Kim mit seiner SMI Hyundai Corporation vom Stadtrat als WCCB-Investor abgesegnet werden. Jetzt muss Kim nicht nur Hinweise und Rhetorik, sondern Beweise für die wirtschaftliche Potenz des Global Players mit einem Jahresumsatz von rund 30 000 000 000 (Milliarden) Dollar vorlegen. Dagegen erscheinen 40 000 000 (Millionen) Euro, die SMI Hyundai als Eigenkapital nachweisen muss, um Herr über rund 100 Millionen Euro öffentliche Mittel zu werden, wie Peanuts.

Kims Anwalt Dr. Ha-S. C. spinnt das Märchen vom Weltkonzern weiter. 25. August 2005, aus dem Protokoll der städtischen Projektgruppe: "Dr. Ha-S. C. bewertet die Gespräche mit der Hypo-Bank als sehr positiv, da SMI Hyundai mit der Bank bereits Geschäfte getätigt hat und daher dort bereits Erkenntnisse über die Finanzkraft des Unternehmens vorliegen. Die Sparkasse KölnBonn muss von Grund auf sowohl das Unternehmen als auch das Projekt bewerten und dies erfordert wesentlich mehr Zeit." Das suggeriert, SMI Hyundai sei schon einmal von einer deutschen Bank gecheckt und für liquide und leistungsfähig bewertet worden. Dann ruht der See. Am 12. September 2005 möchte Kim die Reihenfolge ändern: erst Projektvertrag, dann Finanzierungsfragen. Kim argumentiert: Internationale Banken würden "erst in die Prüfungsphase einschreiten, wenn ein endgültiger Projektvertrag vorgelegt werden kann". Projektchef Arno Hübner widerspricht: Es sei "unabdingbar notwendig, dass vor Vertragsabschluss Grundsatzfragen zwischen den Partnern geklärt sind".

Nun lässt SMI Hyundai weitere Luftballons steigen. Immer neue Bankennamen, immer neue Blendwerke. Dr. Ha-S. C. mailt am 27. September 2005 an die Projektbeauftragte Eva-Maria Zwiebler: " ... anbei übermittele ich Ihnen die Bestätigung des US-Finanzinstituts International Bonding & Construction Services (IBCS) Inc., dass für SMI Hyundai eine ständig zur Verfügung stehende Baugewährleistungsgarantie besteht. Diese Garantielinie würde auch das Bonner Projekt abdecken. Aktuell beträgt die Garantielinie bis zu 300 Mio. US-Dollar." Am 18. Oktober 2005 konkretisiert Dr. Ha-S. C. per Mail gegenüber Hübner: "Bei der IBCS handelt es sich um eine auf Bau-Garantien spezialisierte und national hoch angesehene Firma mit AAA-Bonität. Sie verfügt, soweit uns mitgeteilt wurde, über ein Eigenkapital von 16 Mrd. USD. Die Gesellschaft ist offiziell bei der US-Regierung als Garantiegeber für Projekte akkreditiert."

Ziel und Zweck des Spielchens: Erwartungen auslösen, Woche für Woche verstreichen lassen, die Stadt in die Zeitfalle treiben und damit ihre Spielräume verkleinern. Am 10. November 2005 sind Dr. Ha-S. C. und Kim fast am Ziel: Es erfolgt die Grundsatzzusage der Sparkasse KölnBonn, 30 Millionen Euro Eigenkapital vorzufinanzieren. Aber eine Zusage ist kein Vertrag. Trotzdem wird der Stadtrat vier Wochen später SMI Hyundai als "Investor" akzeptieren - und dass die Stadt, falls das Projekt scheitert und der Heimfall ausgelöst wird, für einen 74,3-Millionenkredit bürgt.

Am 7. Februar 2006 erhöht SMI Hyundai das Stammkapital der UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC) auf 3 Millionen Euro. Das schafft Vertrauen: Am 8. März 2006 unterschreiben Stadt und UNCC/Hyundai den Projektvertrag, und schon 19 Tage später wird die SMI Hyundai Europe GmbH (Berlin) von Young-Ho Hong gegründet; sie soll das WCCB bauen.

In der Eigenkapital-Frage bewegt sich indes wenig. Am 23. Juni 2006 überrascht Dr. Ha-S. C. die Projektgruppe. Aus dem Protokoll: "SMI Hyundai überlegt, weiteres Eigenkapital in das Projekt unmittelbar einfließen zu lassen, da die Bankgarantie von 30 Mio. Euro ca. 13 Prozent Kosten verursachen würde." Also Eigenkapital aus eigenen Mitteln? Wieder eine Finte. Motto: Wenn wir wollen, können wir. Dr. Ha-S. C. spielt geschickt auf der Klaviatur psychologischer Verhandlungskunst.

Am 27. Juni 2006 erhöht SMI Hyundai, wie im Projektvertrag gefordert, das UNCC-Stammkapital auf 10 Millionen Euro. Jedoch wird sich später herausstellen, dass Stamm- nicht nicht zwangsläufig Eigenkapital ist.

Noch ist der Spatenstich nicht erfolgt, da meldet Hong am 23. August 2006 ein Baukostenvolumen von über 150 Millionen Euro, 11 Millionen mehr als festgelegt. Zwiebler wird nervös. Sie mailt am 5. September 2006 an Hübner und Friedhelm Naujoks, Leiter des Städtischen Gebäudemanagements und später WCCB-Baukontrolleur: " ... problematisch ist, dass es zu den Mehrkosten noch keinen Finanzierungsnachweis gibt. Ich habe mit Hong gesprochen, er muss hierzu noch mit Kim sprechen, ob es eine Erhöhung des Eigenkapitals gibt." Zu diesem Zeitpunkt hat SMI Hyundai jedoch noch nicht einmal das Eigenkapital für 139 Millionen Baukosten nachgewiesen.

Das geforderte Eigenkapital bleibt ein heißes Eisen. Es geht hin und her. Am 19. September 2006 reagiert Hong. Jetzt reichen ihm 137,5 Millionen Baukosten. Zwiebler mailt 48 Stunden später an Hongs Baufirma: "In dieser neuen Aufstellung sind allerdings keine Finanzierungskosten mehr enthalten. Daher an Sie die Frage, wie erfolgt die Finanzierung? (...) Wird mehr Eigenkapital eingesetzt? Ich bitte Sie herzlich, sich dafür einzusetzen, dass wir bald die Nachweise über die Finanzierung erhalten." Zwiebler bittet also Dritte, die Baufirma, um Mithilfe, endlich das Eigenkapital-Kapitel des Investors abzuschließen.

Am 12. Oktober 2006 erstellt das SGB ein Testat für die Bezirksregierung zur Mittelverwendung von 35,79 Millionen Euro (NRW-Zuschuss). Aus der Schlussbetrachtung: "Eine eventuelle Erhöhung des Bauvolumens infolge von baulichen Erweiterungen wird durch SMI Hyundai getragen (...) Somit bleibt das Projekt bei der ursprünglichen Gesamthöhe der Förderung. Das Projekt ist wirtschaftlich und auskömmlich. Insgesamt ist die Kostenschätzung plausibel und in sich schlüssig (...) Das Projekt ist ausfinanziert." Der Staatsanwalt ermittelt heute wegen Betrugsverdacht.

3.November 2006: Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann vollzieht den Spatenstich. Trotz nicht nachgewiesenen Eigenkapitals. Daran erinnert Hübner am 22. November 2006 Dr. Ha-S. C.: " ... nachdem nunmehr mit den Bauarbeiten bereits begonnen wurde, möchte ich Sie bitten, der Stadt Bonn den Nachweis vorzulegen, dass das weitere Eigenkapital in Höhe von 30 Mio. Euro nach Maßgabe der Grundsatzzusage der Sparkasse KölnBonn vom 10.11.2005 vorliegt." Zudem verdeutlicht Hübner: ohne Eigenkapitalnachweis keine Auszahlung des NRW-Zuschusses.

Zwiebler mailt jubelnd am 1. Dezember 2006 an Hübner: "Dr. Ha-S. C. ist sehr zuversichtlich, dass jetzt in Kürze das Geld da ist. Alles wird gut." Hübner notiert aus einem Gespräch am 13. Dezember 2006 mit Kim und Dr. Ha-S. C.: "Herr Kim weist darauf hin, dass er für 6 Projekte 500 Mio. von einer Bank in den USA erhalte." Eine erste Rate sei unterwegs. "Es sollen 70 Mio. nachgewiesen werden." Doch auch das ist eine Ente.

Dann verliert Hübner die Geduld. Er schreibt am 28. Dezember 2006 an Dr. Ha-S. C.: "Seit Oktober wird (...) zugesagt, dass die Finanzierung in wenigen Tagen nachweisbar gesichert sei. Dies ist bisher nicht geschehen."

Dr. Ha-S. C. reagiert - mit Chuzpe, und wieder mit psychologischem Kalkül. Tenor: Wenn das hier alles so kompliziert ist, machen wir es eben ohne die Sparkasse. Im Wortlaut: "SMI Hyundai Corporation, als Muttergesellschaft der UNCC Bonn GmbH, hat beschlossen, die Mittel für die Fertigstellung und Betreibung des UNCC-Projektes ohne Bankdarlehen aufzubringen. Eine Kreditaufnahme über die Sparkasse KölnBonn wäre in diesem Fall nicht notwendig. Zu diesem Zweck schloss SMI mit dem neuseeländischen Finanzinstitut First Mutual Credit Corporation am 30. November 2006 einen Investitionsvertrag mit einem Volumen von bis zu 500 Millionen US-Dollar (...) Zur Umsetzung des Vertrages sollten zunächst 150 Millionen US-Dollar auf ein Konto der SMI Hyundai Corporation bei der Sparkasse überwiesen werden. Diese Transaktion wurde durch zwei separate Überweisungsaufträge am 14. Dezember 2006 veranlasst (...) Die Gutschrift bei der Sparkasse allerdings erfolgte bis heute nicht. Die intensive Recherche in den letzten Tagen ergab, dass die Gelder in New York von den US-Behörden festgehalten wurden, um ihre Herkunft zu ermitteln ..."

Die Sparkasse hat das neueste Dr. Ha-S. C.-Versprechen überprüfen lassen. Sie mailt am 15. Januar 2007 an Zwiebler: "First Mutual Credit Corp. hat keine SWIFT-Adresse. First Mutual Credit Corp. hat keinen USD-Korrespondenten. Eine Internet-Seite befindet sich im Aufbau. E-Mail-Adressen sind nicht erreichbar. Ansprechpartner rufen nicht zurück. Fazit: Für eine Bank, die mit den oben angegebenen Beträgen handelt, sehr ungewöhnlich. Wir halten die Angelegenheit für wenig seriös und raten zu äußerster Vorsicht."

Die Stadt Bonn lädt am 19. Januar 2007 Kim und Dr. Ha-S. C. zum Rapport. Protokollnotiz: "Kim erläutert, dass er sich hinsichtlich des Zeitrahmens für die Gesamtfinanzierung verkalkuliert habe und er nicht davon ausgegangen ist, dass die Übertragung von Kapital aus Asien nach Deutschland diese Probleme verursachen könnte (...) Kim sagt zu, bis Ende Januar das Eigenkapital um weitere 10 Millionen Euro zu erhöhen." Wieder ein leeres Versprechen.

Zwiebler mailt am 9. Februar 2007 an Hübner. Sie berichtet: "Dr. Ha-S. C. hat mich angerufen und mitgeteilt, dass jetzt noch eine Bürgschaft von einer indonesischen Bank angekommen sei." Es gehe um 40 Millionen.

Tatsache ist: Kim irrt verzweifelt auf dem Londoner Finanzplatz umher. Er sucht Geldgeber. Außerhalb der Bankenwelt, denn dort hat er bereits alles verspielt - Vertrauen, Ruf, Kreditwürdigkeit. Wie hatte Dr. Ha-S. C. noch argumentiert? 13 Prozent Kosten für einen Bankkredit seien zu viel. Nun akzeptiert Kim rund 60 Prozent Zinsen und Gebühren - für einen Sechs-Monatskredit der Investmentfirma Arazim (Zypern). Und nebenbei verpfändet der von Geldnot Getriebene 94 Prozent der UNCC-Anteile als Sicherheit. Und später verkauft er noch einmal 94 Prozent nach Hawaii (Honua), obwohl diese längst gepfändet sind. Damit stößt er das WCCB auch in der Eigentumsfrage ins Tohuwabohu - in das größtmögliche Durcheinander.

Im März 2007 ist das Märchen vom solventen Investor aus Fernost endgültig von der Wirklichkeit vertrieben. Sparkasse zahlt, Stadt haftet geheim - am Stadtrat vorbei - auch für Kims 30 Millionen Eigenkapital (siehe Millionenfalle XXXIV).

Damit ist Habenichts Kim am Ziel: Er hat die Stadt zu der abenteuerlichen Konstellation getrieben, dass sie sogar für Hyundai-Vertragspflichten bürgt. Und da das Eigenkapital nun mit städtischer Haftung "nachgewiesen" ist, liegen Kim und Hong mehr als 100 Millionen Euro Steuergelder zu Füßen. Nicht nur das: Diese Eigenkapital-Nummer hat letztlich die Baukasse um zusätzliche 3,6 Millionen Euro Zinsen geleert.

Mit der Bauphase startet die bitterste Phase des Zukunftprojekts, die scheibchenweise Zerlegung der "fat maggott" (fetten Made), wie der WCCB-Selbstbedienungsladen in der "Millionenfalle" heißt. Nebenbei wird auch gebaut. Das WCCB wächst. Ende 2007 weiß Zwiebler, mit wem sie es zu tun hat. Eine Mail von der Sparkasse an Kim wird an sie weitergeleitet. Es geht um nur zwei Millionen Euro, die Kim bis Ende 2007 zurückzahlen soll. Zwiebler antwortet: "Na, dann warten wir gemeinsam auf das Christkind." Die WCCB-Schlüsselübergabe liegt in weiter Ferne. Im Herbst 2009 bricht dann alles zusammen.

Nun ist das Geld weg. Dabei waren mehr als 192 Millionen Euro auf das Bauherrnkonto (UNCC) geflossen. Trotzdem ist von 336 Hotelräumen nur ein Musterzimmer fertig. Im Bauprozess, einem weiteren Verwirrspiel von Kim, Hong und Helfershelfern, haben sich Millionen verflüchtigt. Ein heikles Kapitel. Am Ende hat der Triumph der Parasiten, der Betrüger und Bestechlichen, Bonns Scherbenhaufen produziert - das Gegenteil von dem, was Zwiebler noch im Dezember 2006 ("Alles wird gut") hoffte.