Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 23.02.2010

Sprachlich verschleierte Insolvenzen: Die Millionenfalle, Teil 26

Krill frisst Plankton, Fisch Krill, Wal beides. Eine kurze Nahrungskette im Ozean. Mit den Steuern ist es komplizierter. Aber man kann sie in umgekehrter Richtung - vom Starken zum Schwachen - auch als Nahrungskette betrachten. Nur handelt die Geschichte nicht vom Fressen und Gefressenwerden, sondern von einer Art kollektiven Beute: Hunde-, Sekt-, Mehrwert-, Tabak-, Mineralöl-, Versicherungs-, Gewerbe-, Einkommens-, Grundsteuer und vieles mehr. Das ergibt Milliarden, 561 waren es 2008. Um die streiten sich Bund, Länder und Kommunen. Aber nicht wie eine hierarchielose Meute, sondern nach Hackordnung: Bund, Länder, Kommunen. In dieser Reihenfolge. Am Ende der steuerlichen Nahrungskette steht die Stadt oder Gemeinde. Sie erreicht von einem Euro Mehrwertsteuer 2,2 Cent, von einem Euro Einkommenssteuer 15 Cent.

Wo wenige Besserverdienende und viele Hartz-IV-Empfänger leben, sieht es düster aus. Strukturschwache Kommunen leben seit Jahren in der Abwärtsspirale. Geringe Wirtschaftskraft, hohe Arbeitslosigkeit, kleine Steuereinnahmen, hohe Soziallasten. Wer hier lebt, hat schon lange keine öffentliche Weihnachtsbeleuchtung mehr gesehen. Infrastruktur und Dienstleistungen rangieren dann weit unter deutschem Durchschnitt. Das zieht kaum neue Steuerzahler an. Ein Teufelskreis, der reiche und arme Städte weiter voneinander entfernt.

Aber auch Kommunen, deren Not nicht augenfällig ist, leben auf Pump, nehmen neue Kredite auf, um alte zu bezahlen. Oder sie überziehen das Konto (Kassenkredit). Rechtlich zulässige Kunstgriffe verzögern in NRW zudem manchen Kollaps. So entstanden Wortschöpfungen wie "Ausgleichsrücklage" oder "Allgemeine Rücklage", die alle etwas, zumindest fiktiv, mit Vermögen und Eigenkapital zu tun und den Zweck haben, in einem Haushalt Reichtum vorzutäuschen, wo keiner ist. Folgerichtig und absurd zugleich führt der NRW-Kommunalfinanzbericht 2009 denn auch das Merkmal "fiktiv ausgeglichen". Damit wird ein Haushalt benotet, der nur durch Buchungstricks ausgeglichen ist. Diese legale Form der sprachlichen Verschleierung der eigenen Insolvenz nutzten 276 von 430 Städten, Gemeinden und Kreisen in NRW, um dem Haushaltssicherungskonzept (HSK) zu entgehen.

Rund zwei Drittel sind also faktisch pleite und nur kraft Sprachkunst "gesund". Elf sind durch keinen Trick der Welt mehr gesundzubeten. Dazu zählen heute etwa Hagen, Oberhausen oder Duisburg.

Sie erleben bereits, was andere fürchten. Zwei Beispiele: Als Duisburg Geschwisterkinder von der Kindergartenbeitragspflicht freistellte, schritt die Bezirksregierung ein: Wer überschuldet ist, darf keine Gebühren erlassen - und bekam vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (1L-1700/09) recht. Oberhausen wollte weiter in der Verwaltung ausbilden, und Ausbildung kostet.

Die Bezirksregierung verbot das, und Oberhausens Personalchef André auf der Heiden schimpfte: "Zwangsverordnete Vergreisung." Familien in Duisburg, die aus Doppelverdienern und vielen kleinen Kindern bestehen, fragen sich, ob sie nicht besser in den Dunstkreis von Düsseldorf ziehen sollten, wo Kindergartenplätze gebührenfrei sind.

In das Lazarett der von sprachlichen "Eigenkapitalinfusionen" am Leben gehaltenen Kommunen strömt nun zeitverzögert die globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Zangenbewegung aus sinkenden Steuereinnahmen und nochmals steigenden Soziallasten - von 1992 bis heute plus 80 Prozent - bedeutet für angeschlagene Patienten den K.o.-Schlag. Der NRW-Städtetag sieht "eine reale Gefahr der Überschuldung von nahezu jeder zweiten Mitgliedsstadt". Zu den vom HSK bedrohten Kommunen gehört seit Jahren auch Bonn. Schon 2006 mahnte Regierungspräsident Hans Peter Lindlar, "dass die Stadt Bonn im Vergleich zu anderen kreisfreien Städten der gleichen Größenklasse des Landes weiterhin die höchste Verschuldung aufweist". Aktuell sind es 1,25 Milliarden oder 4 201 Euro pro Bonner.

Das harmoniert mit dem großen Trend: Bund und Länder leben auch auf Pump. 2010 werden es über 22 700 Euro Miese pro Bürger sein. 1950 waren es noch, kein Tippfehler, 188 Euro, 1990 schon 8 448 Euro. Die Schuldenuhr tickt, getrieben vom Zinseszins-Effekt, weiter. Die Staatsschulden wachsen pro Sekunde um 4 439 Euro, und ein Tag hat 86 400 Sekunden. Macht mehr als 383 Millionen Euro neue Schulden täglich.

Bonn zahlt täglich mehr als 300 000 Euro für Zins und Tilgung für Altschulden. Eine unglaubliche Zahl. Aber auf der Ebene kommunaler Finanzen liegen die Dinge anders als in einer Familie. Eine Stadt ist weniger selbstbestimmt. Der Bund diktiert, wofür sie gesetzlich aufzukommen hat. Das sind im Schnitt 75 bis 90 Prozent aller städtischen Ausgaben.

Die Kommunen torkeln seit langem. Wird es ganz ernst, verliert der Bürgermeister seinen Führerschein an den Regierungspräsidenten - und so das im Grundgesetz verbriefte Recht zur kommunalen Selbstbestimmung. Das klingt danach, als herrsche in Ratshäusern eine laxe Ausgabedisziplin. Das täuscht. Der Rotstift kann nur bei freiwilligen Leistungen angesetzt werden: etwa bei Bibliotheken, Sport, Kultur, Nahverkehr oder Bädern. Also gerade in jenen Bereichen, bei denen der Wähler den Daumen über seine Stadt nach oben oder unten hebt. Doch das macht nur zehn bis 20 Prozent eines kommunalen Haushalts aus. Der große Rest ist vom Kita-Platz bis zu Hartz IV gesetzlich vorgeschrieben - vom Bund, der über der steuerlichen Nahrungskette thront.

Es ist offensichtlich: Das System krankt daran, dass die Regel "Wer die Musik bestellt, bezahlt sie" auf den Kopf gestellt ist. Die Formeln für den Finanzausgleich erstatten den Kommunen nicht eins zu eins das, was sie gesetzlich zahlen müssen. Vor laufenden Kameras verkündet die Bundesregierung Wohltaten, während Bürgermeistern der Kamm schwillt. Allein das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird den bundesweit 12 500 Kommunen zwölf Milliarden Euro abverlangen - Geld, das sie nicht haben. In der Not verkauften manche in den letzten Jahren ihr Tafelsilber: Wohnungen, Stadtwerke, Kanalisation, Klärwerke - auch beflügelt vom allseits gesungenen Hohen Lied auf die freien Kräfte. Ein Irrweg. Heute kaufen jene, die es sich leisten können, unter der Überschrift "Rekommunalisierung" wieder alles zurück.

Die Kritik ist alt: Den Kommunen mangelt es an einer aufgabengerechten Finanzausstattung. Auf der letzten Hauptversammlung des Deutschen Städtetags sagte Geschäftsführer Stephan Articus mit Blick auf Bund und Länder: "Der Konkurrenz in der Formulierung wohlklingender Ziele entspricht ein kompletter Mangel in der Kooperation und Verständigung ihrer Umsetzung." Nun, 2010, hat die jahrelange Tatenlosigkeit Folgen. Wer seit Jahren chronisch unterfinanziert wirtschaften musste, den kann schon ein laues Lüftchen lahmlegen.

Nun strangulieren rapide sinkende Einnahmen die Kommunen. Sie leben zu einem kleinen Teil von der stabilen Grundsteuer, in weit größerem Maße aber von der konjunkturabhängigen Gewerbe- und Einkommenssteuer. So wird nachvollziehbar, dass der Arbeitsplatzabbau vor Ort und die Schließung einer Musikschule zusammenhängen können.

Bei vielen freiwilligen Leistungen hat die kommunale Not längst das Fett abschmelzen lassen. Jetzt geht es an die Substanz. Mancher Bürgermeister verschiebt eine Schulsanierung, ein anderer setzt die Wassertemperatur im Hallenbad herunter, ein anderer schließt es und das Theater gleich mit. Doch die Grafik unten zeigt auf einen Blick: Die Dimensionen sind ganz andere. Bürger und Bürgermeister können strampeln, wie sie wollen. Gegen die strukturelle Krankheit im Finanzgeflecht zwischen Bund, Ländern und Kommunen wird es nicht reichen.

Eine Mine mit ungewisser Sprengkraft

Die Millionenfalle XXVI: Das WCCB wird Bonns Sparzwang noch einmal drastisch verschärfen

Wenn der und der hustet, kriegt jener automatisch eine Grippe. Das Bonmot ist beliebt, um wirtschaftliche Abhängigkeiten zu verdeutlichen, etwa zwischen BMW und Niederbayern. Auch gilt: "Wenn die Wirtschaft vor Ort schwächelt, kriegt ein kommunaler Haushalt gleich die Grippe." Diesmal dürfte es eine Lungenentzündung werden. Die Dramatik treibt selbst Bonns Ober-Zahlenmann, Kämmerer Professor Ludger Sander, zu einer Sprache, die jeder versteht: Wenn nicht kräftig - 50 Millionen - gespart werde, sei der Haushalt 2010 "ein letztes Aufatmen", dem dann "die Luft ausgeht". Denn Sander kann den Haushalt "lediglich buchungstechnisch ausgeglichen" präsentieren, womit Bonn in die Gruppe jener Kommunen abdriftet, deren Etat nur fiktiv ausgeglichen ist. Mit allen legalen Tricks kriegt Sander gerade noch einmal die Kurve vor dem Haushaltssicherungskonzept (HSK).Auch Bonn leidet an den Bundesgesetzen. Doch ein Teil der Krise, die nun naht, ist selbstverschuldet. Das Unheil entstand nicht über Nacht. Es hat Geschichte - und das buchstäblich. Bonn ist keine normale Stadt; sie ist die einzige Deutschlands, die einmal Bundeshauptstadt war. Das Erbe hat mentale und strukturelle Handikaps hinterlassen. So wurde etwa für die Kinder von Botschaftern, Ministern und Beamten ein hervorragendes Schul- und Kindergartenangebot aufgebaut. Auch Theater, Oper und Ballett mussten sein. Überhaupt: Bonn hat alles andere als eine unterdurchschnittliche Infrastruktur. Dafür flossen einst Bundesmillionen, aber die Infrastruktur ist geblieben. Das kostet.Die neuen wirtschaftlichen Bonner Spielregeln haben jedoch kaum das "bundeshauptstädtisch Mentale" vertreiben können. Ob die Ansiedlung der Post- oder Telekomzentrale aktive Akquise spiegeln oder eher "in den Schoß gefallen sind", ist eine offene Frage. Die mentalen Nachwehen zeigen sich manchmal im fehlenden Pragmatismus oder mangelhaftem Ehrgeiz, dem Kämmerer neue Steuerquellen zuzuspielen. Die Verwaltung gilt als Ort strenger Paragrafenreiter und Trutzburg reiner Lehren, etwa des Zentrenkonzepts. Während andere Kommunen an Bonns Grenzen auf egoistisch-pragmatische Weise "zentrenschädliche" Großmärkte oder Outlet-Center installieren, ist Bonn eher puristisch unterwegs und die einzige Stadt Deutschlands mit mehr als 300 000 Einwohnern ohne einen "Saturn" oder "Mediamarkt". Die Bonner Kaufkraft für Unterhaltungselektronik landet weiter in Köln oder Sankt Augustin und vielleicht bald auch in Bornheim.

Manchmal hilft der Blick von außen. Die "New York Times" schrieb, dass sich Bonn anfühle wie "a small city on steroids". Sinngemäß: alles eine Nummer zu groß. Den Wegzug von Tausenden Abgeordneten, Beamten, Mitarbeitern von Botschaften und Verbänden haben "die Rheinländer blendend verkraftet", meint das Wirtschaftsmagazin "brandeins". Aber: "Nur die Erkenntnis, zumindest in einer Hinsicht eine ganz normale Stadt zu sein, setzt sich am Rhein erst langsam durch. Eine ganz normale Stadt hat einen ganz normalen Haushalt mit beschränkten Mitteln - und ziemlich kniffligen Herausforderungen." Das Blatt fragt: "Warum lässt sich das den Bürgern nicht erklären?" Der Journalist vermutet: Der Bonner habe sich durch die Hauptstadt-Jahrzehnte an viele Annehmlichkeiten gewöhnt, etwa an (zu) viele Bäder, ein mit Bund-Millionen bezuschusstes Theater samt Oper.

Unter dem Gewohnheitssyndrom leiden auch Bonns Politiker, das, so Sander, "haben die letzten Wochen gezeigt. Sobald irgendeine Sparmaßnahme diskutiert wurde, kam der Vorwurf, gerade hier würden die falschen Prioritäten gesetzt und würde an der falschen Stelle gespart." Fest steht: Wird nicht genug gespart, muss auch nicht mehr über Prioritäten gestritten werden. Dann streicht der Regierungspräsident - ohne Debatte. Über dieser extrem labilen Haushaltslage schwebt nun mit dem World Conference Center Bonn (WCCB) eine weitere Millionenfalle ein. Ein Projekt, das Bonn vor Jahren mit der Absicht begann, die Einnahmeseite langfristig zu stärken. Andere Kommunen buhlen für mehr Gewerbesteuer um die Ansiedlung von Unternehmen, weisen Gewerbeparks aus oder investieren anderswo. Beim WCCB standen alle Aktivitäten im Zeichen der Umwegrendite, weil Kongressteilnehmer pro Tag etwa 100 bis 400 Euro an dem Ort ausgeben, wo sie tagen. Auf diese Weise, so die Erwartung, wird auch die Gewerbesteuer beflügelt. Dieser schwer messbare Effekt wird so hoch eingeschätzt, dass ein Kongresszentrum durchaus Miese machen darf. In Deutschland produzieren sie alle mit Ausnahme des Estrel in Berlin, Europas größtem Convention- und Hotelkomplex, mehr Ausgaben als Einnahmen.

Wie berichtet, entwickelte sich das WCCB ganz anders als geplant. Bonn steht, bevor irgendein Kongress mit Umwegrendite veranstaltet werden kann, vor einem Scherbenhaufen. Schon der Bau blieb zwischen korrupten Machenschaften auf der Strecke. Im Haushalt steht der "Fall WCCB" nur als Fußnote. Wie viele Millionen Euro werden es sein, die Sander zusätzlich schultern muss? Was bedeutet das WCCB für mehr als 317 000 Bonner?"

Die Verwaltung, die Politik und Sie - die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt - sitzen alle im selben Boot, wir müssen alle in die gleiche Richtung rudern", erklärt die Stadt in einem früheren Beitrag zur allgemeinen Haushaltslage auf ihrer Homepage im Internet (www.bonn.de). Was damals galt, gilt erst recht heute. Solche zur Solidarität ermunternden Zeilen bedeuten: Die Bürger müssen die Suppe mitauslöffeln - auch beim WCCB, das heute aus mehreren Kosten-Baustellen besteht.

Will die Stadt beim WCCB endlich selbst im Sattel sitzen, muss sie alle anderen Anspruchsteller zwischen Hawaii (Honua), Zypern (Arazim) und Reston/USA (SMI Hyundai) aussitzen. Ein juristisch heikles Terrain. Als leichteste Übung erscheint da noch, sich mit Insolvenzverwalter Christopher Seagon zu einigen. Das magische Wort heißt "Heimfallvergütung" - Geld, das Seagon zusteht, wenn er einer WCCB-Rückübertragung an die Stadt einwilligt. Eine Lösung, die Jürgen Nimptsch anstrebt. Das könnte fünf Millionen Euro kosten.

Nimptsch ist neu gewählt worden. Als Oberbürgermeister. Nun ist er Obersparmeister. Er spielt keine einfache Rolle. Auf der öffentlichen Bühne muss er Zuversicht ausstrahlen und beim Blick hinter die Kulissen das Gegenteil verkraften. Zur Aussicht gehört auch, vielleicht alle WCCB-Landes- und Bundeszuschüsse zurückzahlen zu müssen. Hier lauern mehr als 60 Millionen Euro. Schon deshalb muss Nimptsch zuende bauen. Unstrittig ist, dass die Stadt für 104,4 Millionen bürgt. Hinzu kommt noch eine Bürgschaft für den Eigenkapitalkredit des "Investors" Man-Ki Kim plus Zinsen: rund 14,3 Millionen. Zwischenbilanz: 5,0 + 104,4 + 14,3 = 123,7 Millionen.

Zahlreiche externe Experten tüfteln zurzeit für die Stadt, wie das WCCB zu einem guten Ende geführt werden kann. Guter Rat ist teuer: 500 Euro die Stunde. Dazu der Heizungseinbau sowie die Energie (rund 25000 Euro pro Monat), um die Haustechnik gegen Väterchen Frost zu verteidigen. Wie wir heute wissen: Ohne Heizung wäre das WCCB von diesem Winter ruiniert worden. Viele kleine kostenintensive Haufen könnten sich auf 3,5 Millionen summieren. Zwischensumme: 127,2 Millionen.

Hinzu kommt der jährliche Zuschussbedarf. Er wird nach GA-Informationen bei 3,5 bis 6,5 Millionen Euro liegen. Deshalb war das, was der Investorenauswähler Michael Thielbeer, inzwischen der Bestechlichkeit verdächtigt, in Aussicht stellte, nämlich einen zuschussfreien Betrieb, sofern der Investor SMI Hyundai hieße, im Grunde eine Verheißung aus dem Wolkenkuckucksheim. Zwischensumme: 132,2 Millionen.

Schließlich die letzte große Kraftanstrengung: der Fertigbau. 60 Millionen wird er nach GA-Informationen kosten. Soll das WCCB zudem mit Gewährleistung an einen Investor verkauft werden, darf man es sich nicht mit den Handwerkern verscherzen, die beim Insolvenzverwalter "Gläubiger" heißen. Sollen sie fertigbauen und für Baumängel "gewährleisten", sind nach GA-Informationen weitere rund 6,5 Millionen für alte Rechnungen fällig. Schließlich braucht man auch die Pläne von Meister Young-Ho Hong, dessen Baufirma SMI Hyundai Europe insolvent ist. Die bisherige Cleverness aller Beteiligten lässt vermuten, dass sie bei irgendeiner Hong-GmbH liegen und damit nicht zur Insolvenzmasse gehören. Folglich dürfte Hong einen Preis im Kopf haben. Es ist sein letztes Pfund.

So wird Nimptschs schlechteste Annahme - "bis zu 200 Millionen" - Schritt für Schritt plausibel. Vielleicht werden es ein paar Millionen mehr, wenn etwa Honua einen Richter trifft, der der Hawaii-Company (auf Kosten der Stadt) eine Entschädigung zuspricht. Bliebe es bei den 200 Millionen, kommt - verteilt auf 25 Jahre - eine Pro-Einwohner-Belastung heraus, mit der sich etwa zwei Beethoven-Orchester unterhalten ließen.

Zudem bedroht ein weiteres, nicht beeinflussbares Risiko Bonn. Sanders größter Verbündeter ist die aktuelle Zinsflaute. Zurzeit überzieht Bonn sein Konto mit 406 Millionen, 2013 könnten es fast 700 Millionen sein. Heute liegt der kommunale Dispo teilweise unter einem Prozent, was den Ernst der Lage mildert. Das wird so nicht bleiben.

Mitarbeit: Lisa Inhoffen, Rita Klein, Bernd Leyendecker, Florian Ludwig, Wolfgang Pichler, Wolfgang Wentsch.

So lesen Sie die Grafik:

Jedes Kästchen steht für einen Ausgabenbereich. Seine Größe verrät, wie hoch der städtische Zuschuss pro Einwohner für 2010 in etwa ausfällt. Das bedeutet: Etwaige Einnahmen (Eintrittskarten, Gebühren) sind bereits berücksichtigt. Beispiele für den Pro-Kopf-Zuschuss: soziale Leistungen 370,18 Euro, Theater 78,21 Euro, Volkshochschule 5,01 Euro. Je größer der Betrag, desto größer der jeweilige Kasten. Die großen, blauen Blöcke sind zu mehr als 90 Prozent gesetzliche Ausgaben, der Bonn-Ausweis ist dagegen eine "freiwillige Leistung". Gelbe Kästen stehen für Verwaltungsbereiche, andere Farben zeigen freiwillige Leistungen. "Sparmasse" ist fast nur der kleine, bunte Bereich. Fiele Bonn wegen Überschuldung in den Nothaushalt, könnte der Regierungspräsident alle freiwilligen Leistungen streichen (Ausnahme: bestehende Verträge). Das Flächendiagramm spiegelt nicht den gesamten Haushalt wider. Daten wurden für die Grafik gerundet; sie entstammen dem Haus-haltsplan 2008/09. Der beinhaltet noch keine Belastung durch das WCCB. Nach GA-Schätzung belastet das Zukunftsprojekt für die nächsten 25 Jahre jeden Einwohner mit rund 40 bis 50 Euro pro Jahr - Zins und Tilgung für rund 200 Millionen Euro