Kölner Stadtanzeiger, 20.02.2013

von Joachim FRANK

Irritation um Anruf von Meisner

Trier. Der Sekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, soll den Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, der Lüge bezichtigt haben. Dies behauptet der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker. Er beruft sich auf eine an ihn gerichtete E-Mail Gänsweins vom 14. Februar. Darin soll Gänswein geschrieben haben, es sei "nicht wahr", dass Meisner ihn angerufen und mit ihm über seine Stellungnahme zur "Pille danach" gesprochen habe. Dies sei "zu dementieren".

Der Kölner Erzbischof hatte sein Vorgehen im Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" am 12. Februar so dargestellt: Nachdem er mit seinem überraschenden Vorstoß, die "Pille danach" nach einer Vergewaltigung als Verhütungsmittel für ethisch vertretbar zu erklären, an die Öffentlichkeit gegangen war, habe er Gänswein telefonisch informiert. Dieser habe gesagt: "Der Papst weiß Bescheid. Es ist alles in Ordnung."

Spieker, ein Protagonist der sogenannten "Lebensschutz"-Bewegung, war auf Anfrage nicht bereit, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" Gänsweins angebliche E-Mail zur Verfügung zu stellen, zitierte aber im Gespräch daraus. Er betonte, dem Sekretär des Papstes zuvor die entsprechende Passage aus dem Meisner-Interview vom 12. Februar geschickt zu haben. Es sei davon auszugehen, sagte der Osnabrücker Wissenschaftler, dass weder die Glaubenskongregation noch die Päpstliche Akademie für das Leben amtlich mit der Erklärung von Kardinal Meisner befasst gewesen seien, sondern nur telefonisch oder elektronisch ein schnelles Okay für die Erklärung des Kardinals eingeholt worden sei. Meisner hatte im "KStA"-Interview die Abstimmung seiner Erklärung mit den Institutionen hervorgehoben.

Spieker attestierte Meisners Stellungnahme eine "fatale Wirkung". Sie suggeriere, es gebe eine "Pille danach", die nicht die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter verhindere (Nidationshemmung), sondern nur den Eisprung und damit die Befruchtung (Ovulationshemmung). Tatsächlich hänge die Wirkung der "Pille danach" davon ab, in welchem Stadium des Monatszyklus sie eingenommen wird. 

Der Kardinal war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Sein Sprecher Christoph Heckeley bekräftigte einerseits, dass Meisners Erklärung "intensiv" mit der Akademie für das Leben und der Glaubenskongregation besprochen worden sei. Er wies aber auf ein mögliches Missverständnis von Meisners Aussagen hin. Der Kardinal habe nicht behauptet, Gänswein oder den Papst vorab über seinen Vorstoß in Kenntnis gesetzt zu haben, sondern erst nach der Veröffentlichung seiner Erklärung.