Kölner Stadtanzeiger, 24.01.2013

von Joachim FRANK

Ministerin Steffens: Der Kölner Fall ist inakzeptabel

(Koautor: Arno WIDMANN)

Düsseldorf/Köln. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens will sicherstellen, dass vergewaltigte Frauen bei einer Behandlung im Krankenhaus "dort auch die Möglichkeit erhalten, selbstbestimmt über die Einnahme der »Pille danach« zu entscheiden". Sie halte dies "für zwingend notwendig", sagte die Grünen-Politikerin im Düsseldorfer Landtag. Die Verfügbarkeit einer "Pille danach" könne ein entscheidender Faktor sein zur psychischen Stabilisierung eines Opfers von sexueller Gewalt. Krankenhäuser, die dies aus religiösen Gründen ablehnten, müssten mit anderen Kliniken kooperieren, so Steffens. Alle fünf Fraktionen missbilligten es, dass im Dezember in Köln eine vergewaltigte Frau von zwei katholischen Kliniken abgewiesen worden war. Steffens: "Der Fall ist skandalös, er muss lückenlos aufgeklärt werden." Die Ministerin nannte es inakzeptabel, die Spurensicherung zu verweigern mit der Begründung, man könne als katholisches Haus nicht die Pille danach verschreiben. "Wir müssen sicherstellen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt." Regina van Dinther (CDU) warnte davor, wegen des Kölner Falls Kirchen und die Mitarbeiter in ihren Einrichtungen unter einen Generalverdacht zu stellen. In diesem Sinne äußerte sich auch die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider. Daniela Jansen (SPD) sagte, es müsse darüber nachgedacht werden, ob katholische Kliniken weiterhin für gynäkologische Notversorgung zuständig bleiben können.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner entschuldigte sich in dieser Woche für das Verhalten der Kölner Ärzte. Auch er unterstrich, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen dürfe. Zugleich warb der Erzbischof für die kirchliche Position, für die Lebensschutz und Menschenwürde keine Relativierung duldeten. Auch in der "geradezu unerträglichen Entscheidungssituation" nach einer Vergewaltigung sei der Schutz des ungeborenen Lebens eine unüberschreitbare Grenze.

Als Reaktion auf "Tests" einer Scheinpatientin in Kölner Kliniken schärfte Meisners damaliger Generalvikar, der heutige Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, den katholischen Kliniken das absolute Verbot der "Pille danach" ein. Der katholische Medizinethiker Stephan Sahm, selbst Chefarzt einer katholischen Klinik, widersprach dieser Position. "Bei einem so schweren Verbrechen, wie es eine Vergewaltigung darstellt, ist Empfängnisverhütung moralisch verantwortbar und mit der kirchlichen Lehre vereinbar", sagte Sahm der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Bestimmte Inhaltsstoffe der "Pille danach" hätten nur verhütende, keine abtreibende Wirkung. Die vergewaltigte Kölnerin wäre in seiner Klinik in Offenbach untersucht und beraten worden, so Sahm. "Wir hätten ihr auch die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung aufgezeigt." Eine Frühabtreibung jedoch hätten seine Kollegen und er abgelehnt. Die Feministin Alice Schwarzer sprach mit Blick auf Meisners Haltung von der "unerträglichen Kluft zwischen menschlichem Leben und katholischer Doktrin".

Erzbistum reagierte ausführlich auf Spitzelbrief

Ex-Generalvikar Dominikus Schwaderlapp hat im Januar 2012 ausführlich auf eine Beschwerde über die Verschreibung der Pille danach an eine Scheinpatientin reagiert, die kirchliche Kliniken in Köln auf die Probe gestellt hatte. Den Hinweisen sei das Erzbistum selbstverständlich bis auf höchste Ebene nachgegangen. Schwaderlapp betont, die Rezepte seien von externen Notfallpraxen ausgestellt worden. Er erwägt Mietkündigungen für solche Praxen auf dem Gelände kirchlicher Kliniken, bei denen die Pille danach erhältlich sei. Ein bloß formal korrektes Verhalten kirchlicher Mitarbeiter - gemeint ist offenbar die bedauernde Ablehnung der Pille danach mit Verweis an die unabhängige Notfallpraxis - sei im Dienst des Lebensschutzes keinesfalls ausreichend. Ich darf Ihnen, auch im Namen unseres Erzbischofs versichern, dass wir alles uns Mögliche tun werden, um solche Ärgernisse abzustellen, heißt es in dem dreiseitigen Brief.

Am Ende kritisiert Schwaderlapp die investigative Methode der Scheinpatientin und wirft die Frage auf, ob damit womöglich nur schwarze Schafe aufgespürt werden sollten, um dann den Verantwortlichen in der Kirche ... vermutete Liberalität oder Nachlässigkeit nachweisen zu können.