Nordbayerischer Kurier, 31.10.2001

von Udo MEIXNER

Schüler fürchten sich vor Fegefeuer, Teufel und der Hölle

Sie tragen martialische und mystische Namen wie Beelzebub, Aratron, Phalog, Baalak oder Selithareth - die Dämonen aus den Offenbarungen der Tirolerin Gabriele Bitterlich, Gründerin des Opus Angelorum (Engelwerk). Nach ihrem Verständnis stehen diese Dämonen im apokalyptischen Kampf mit der fast 400-köpfigen Engelschar.


Der Mensch, so die Lehre des Engelwerkes, findet sein Seelenheil nur, wenn er sich mit seinem persönlichen Engel mittels einer Weihe verbindet und so eine Kampfgemeinschaft eingeht. Der besonders hartnäckige Dämon Ismael übrigens sitzt nach Meinung der Engelwerker in allen Zeitungsredaktionen, aber auch im Parlament und in den Ministerien...
Um die möglichen komplexen Zusammenhänge zwischen dem Engelwerk sowie der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE) und den Auerbacher Schulschwestern zu erläutern, traf sich der KURIER mit Marianne Poppenwimmer. Die resolute Münchnerin kämpft seit mittlerweile 17 Jahren gegen sektenähnliche Strömungen innerhalb der katholischen Kirche - ihre Tochter war 1984 in die Fänge des Engelwerkes geraten. 60 Aktenordner füllt mittlerweile das Material, dass sie über das Engelwerk und die KPE gesammelt hat. 17-mal trat Marianne Poppenwimmer bereits im Femsehen auf, wenn es um Aufklärung über die sektenähnlichen Organisationen ging. Alle Sender - von SAT 1 bis zum ORF - nehmen ihr Fachwissen gerne in Anspruch, um Aufklärungsarbeit zu betreiben. Zahllose Referate hat Poppenwimmer in ihrer Eigenschaft als Gründerin einer Elteminitiative von Opfern des Engelwerkes bereits gehalten.
Erklärung parat

Die Bücherzensur an der Auerbacher Realschule verfolgte Poppenwimmer von Anfang an in den Medien. Für die Aversion der Schulschwestern gegen die Darstellung menschlicher Sexualität in Schulbüchern hat sie auch eine Erklärung parat: Die Unkeuschheit als eine der sieben Todsünden (neben Geiz, Neid, Stolz, Trägheit, Unmäßigkeit und Zorn) dürfe keinesfalls Besitz von den Schulkindern ergreifen. Die Darstellung unbekleideter Menschen in Schulbüchern sei demnach nicht statthaft.
Ein weiteres Kriterium für die Verwendung von Engelwerk-Lehren ist für Marianne Poppenwimmer die gezielte Einschüchterung von Untergebenen, zum Beispiel durch die Androhung der ewigen Verdammnis et cetera. Mit diesen Erkenntnissen decken sich Beobachtungen Auerbacher Eltern, die dem KURIER gegenüber – noch mit der Bitte um Wahrung der Anonymität – gemacht wurden. Diese Beobachtungen betreffen in erster Linie die Auerbacher Grundschule, wo ebenfalls Schulschwestern als Lehrerinnen eingesetzt sind. Grundschüler bauten demnach aus eigenem Antrieb und ohne jegliches Zutun der Eltern in ihrem Zimmer kleine Altäre auf, um dort zu beten. Eine weitere Mutter berichtete über enorme Ängste ihrer Tochter vor „Fegefeuer, Teufel und Hölle" nach dem Religionsunterricht durch Schulschwestern an der Grundschule. Massive Furcht und Schlafstörungen seien die Folgen gewesen.
Alle Beobachtungen, die der KURIER Marianne Poppenwimmer gegenüber schildert, sind der Münchnerin mehr als vertraut. Keine Überraschung ist es für Poppenwimmer auch zu erfahren, dass von Seiten des Auerbacher Ordens bislang jede Verbindung zum Engelwerk oder auch der KPE abgestritten wurde: „Im Mund eines Engelwerk-Mitgliedes wird die Lüge zu Wahrheit, wenn es darum geht, durch eine Lüge Schaden vom Engelwerk abzuhalten oder zu verhindern, dass Engelwerl-Interna nach außen dringen”, erklärte Poppenwimmer die in den Schriften von Gabriele Bitterlich festgelegten Verhaltensfegeln.
Kritische Analyse

Poppenwimmer bezieht sich damals unter anderem auf den ehemaligen Münchner Weihbischof Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen, der im Jahr 1994 die Arbeit der KPE, deren Einbindung ins Engelwerk und die Person von KPE-Gründer Andreas Hönisch überaus kritisch analysiert und bewertet hat. Jugendliche, so von Soden Fraunhofen damals, würden in diese Organisationen nach Sektenart von ihren Angehörigen isoliert und wie Leibeigene behandelt.
Durch übersteigerte Gebetspflichten und lebensfeindliche Moral würden die jungen Menschen in krankhafte Angst versetzt. Der Vatikan habe bereits 1983 und verstärkt seit 1992 die Verwendung der Schriften und angebliche Offenbarungen der 1978 verstorbenen Engelwerk-Begründerin Bitterlich verboten, ebenso den Gebrauch nich biblischer Engelnamen, die so genannten Engelweihen und die von der sektiererischen Organisation verlangten Schweigeversprechen.