Das Engelwerk

Das Engelwerk oder „Opus Angelorum“, wie es sich auch nennt, wird von Sektenexperten als eine fundamentalistische christliche Gruppe mit strenger Hierarchie gesehen. Oder ausgedrückt: Es handelt sich um eine religiöse Organisation, die „auf Anhieb an Umberto Eco denken lässt: eine mittelalterliche Burg als Zentrale, strikter Gehorsam, Schweigegebote, Sühneopfer, geheime Riten und Schriften, die Vorstellung eines apokalyptischen Kampfes zwischen Engeln und Dämonen, Exorzismen, der Verdacht von Geisterbeschwörungen, Magie und psychische Deformationen bei – vorwiegend jungen - Leuten, die mit all dem Kontakt hatten“. So schreibt es der Experte Heiner BOBERSKI in seinem Buch “Das Engelwerk – Theorie und Praxis des Opus Angelorum„ aus dem Jahre 1993. Und der Name „Opus Angelorum“ würde sich bestens als Titel des nächsten Bestsellers von Dan BROWN eignen.

Zitate aus Schriften des Engelwerkes lesen sich wie Auszüge aus Büchern über Okkultismus oder Magie:

„Empfänglich für dämonische Strahlungen sind: am meisten die grauen, gefleckten und schwarzen Katzen, die gefleckten und schwarzen Hennen, die Schweine und die glatthaarigen Hunde, die Schmeißfliegen, Ratten und Schlangen“.

Ein Zitat von Hansjörg BITTLERLICH verdeutlicht, warum viele dem Engelwerk und seinen Vertretern kritisch gegenüberstehen: BITTERLICH, nicht nur der Sohn der Gründerin Gabriele BITTERLICH, sondern auch einer der eifrigsten Verteidiger der Schriften des Opus Angelorum, sagt z.B.

„Sie kennen die teuflischen Drei: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“

Dass der aktuelle Zeitgeist durch „Toleranz, Ökumenismus, Gleichberechtigung“ geprägt sei, ist für ihn eindeutig eine Negativbeschreibung.


Woher stammen die Lehren des Opus Angelorum?

Die ‚Mutter’ des Engelwerkes ist Gabriele BITTERLICH, geboren 1896 in Wien und gestorben 1978 in der Burg St. Petersberg bei Silz in Österreich. Bereits als Kind soll sie die Gabe besessen haben, ihren eigenen Schutzengel zu sehen und Offenbarungen zu erhalten.

Darüber zu schreiben begann sie allerdings erst im Alter. 1947 bekam sie von ihrem Beichtvater den Auftrag, eine Art geistliches Tagebuch über ihre erhaltenen Offenbarungen zu schreiben. Für ihre erste Buchveröffentlichung, „Das Reich der Engel, Teil A“, hingegen kam die ‚höhere’ Anweisung angeblich von einem Engel. Dieses wichtige Ereignis soll sich am 24. April 1949 zugetragen haben. Dieser Tag gilt im Opus Angelorum als der Tag der Geburtsstunde des Engelwerkes, obwohl die eigentliche Gründung erst später erfolgte: im Jahr 1961. Auf ihr erstes Buch folgten mindestens 13 weitere Bücher, sowie angeblich 80.000 Manuskriptseiten und diverse Rundbriefe. Wieviele genau, wissen nur Eingeweihte.

Nach ihrem Tod 1978 wurde sie in der Burg St. Petersberg, gelegen über dem Inntal bei Silz (Österreich), begraben. Diese romanische ‚Festung’ hatte das Engelwerk 1965 erworben und wieder bewohnbar gemacht. Sie wurde das Zentrum der Expansion des Opus Angelorum, in dem viele Veranstaltungen, so genannte Exerzitien, durchgeführt wurden. Inzwischen gehört die Burg dem „Orden der Regularkanoniker vom Hl. Kreuz“, der wie das Engelwerk ebenfalls hier seinen Sitz unterhält.


Die Lehre des Engelwerkes in Kürze:

Jeder Mensch hat einen persönlichen Schutz-Engel, dem er sich weiht, und mehrere Geleit-Engel, die über schwierige Lebenssituationen hinweghelfen. Darin besteht der Kernglaube. Gabriele BITTLERLICH beschreibt Namen, Aussehen, Attribute und Aufgaben von über 300 Engeln. Wie z.B. über einen der ersten Engel, der ihr zusätzlich zu ihrem Schutzengel erschien (Zitat entnommen aus Heiner BOBERSKI’s Buch „Das Engelwerk“):

„Einer der ersten war ein Engel wie eine Flamme, mit leuchtenden Augen, die man nicht vergessen konnte, und einer kurzen Nase. Er hatte ein ganz geprägtes Gesicht und sagte: Nenne mich den Liebespfeil Gottes. Ich bin gerufen dir zu helfen.“

Jeder Engel hat einen dämonischen Gegenspieler. Nach Meinung der Engelwerklerin BITTERLICH leben wir in einer Zeit des apokalyptischen Kampfes zwischen Engeln und Dämonen: Die guten und die gefallenen Engel stehen sich in spiegelgleichen Gruppen und Aufgaben gegenüber und treten in dieser apokalyptischen Endzeit zur letzten Schlacht um die Herrschaft Gottes an. Die Menschheit wird in diesen Endkampf miteinbezogen, indem sich jeder einzelne an einen guten oder bösen Geist bindet.
In eigenen Schriften des Engelwerkes liest sich das so: „Das Hauptanliegen des Werkes der heiligen Engel ist die bewusste Zusammenarbeit von Engel und Mensch zur Ehre Gottes und zur Heiligung der ganzen Schöpfung“.


Wo findet man das Engelwerk?

So geheimnisvoll die Entstehung des Opus Angelorum ist, so unübersichtlich und weitgehend unbekannt sind auch die Strukturen des Engelwerkes. In Deutschland befindet sich die Zentrale in Schondorf am Ammersee. Am österreichischen Sitz informiert das Opus Angelorum über eine eigene Website www.engelwerk.at .

Nicht immer ist offensichtlich, wo und wie die Lehren des Engelwerkes praktiziert oder verbreitet werden. Die Einflussnahme läuft eher indirekt - ‚Engelwerkler’ treten unter anderem ‚Label’ auf. Oder nehmen Einfluss auf bestehende Einrichtungen wie z.B. im Fall Auerbach. Vor allem dann, wenn örtliche Diözesen dem Opus Angelorum keine Zulassung erteilen.

Die Recherchen des Nordbayerischen KURIER im Fall Auerbach haben ergeben: Auch 50 katholische Bischöfe und 6 Kardinäle sollen zu der über eine Million Anhänger zählenden Gemeinschaft gehören, bestreiten aber meist jede Zugehörigkeit. Und laut Heiner Boberski wird dem Engelwerk nachgesagt, Anhänger in kirchlichen Spitzenpositionen unterzubringen. Angebliches Ziel: Unterwanderung der Kirche und Machtübernahme.

Das passt zum Bild eines Geheimbundes. Zutritt – für Nicht-Engelwerkler - in Niederlassungen ist kaum möglich. Alle Schriften des Engelwerkes werden in einer eigenen Zentralbibliothek verwaltet, in welcher die Möglichkeit des Ausleihens von Literatur durch den Grad der Zugehörigkeit bestimmt wird. Sowohl in deutschen als auch in österreichischen Bibliothekskathalogen liefern Suchanfragen nach der Autorin Gabriele BITTERLICH keine Suchergebnisse im Zusammenhang mit Engelslehren. Nur das, was z.B. auf der österreichischen Website www.engelwerk.at zu lesen ist, ist allgemein zugänglich. Und das gilt nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für kirchliche Stellen.


Das Netz:

Man wähnt sich spätestens in einem Dan BROWN – Roman, wenn es um die Verflechtungen des Engelwerkes geht: Da gibt es zum einen die Schutzengelbruderschaft oder die Priestergemeinschaft. Und dann gibt es da noch die „Elitetruppe“, den so genannten Kreuzorden („Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz“). Dem Kreuzorden wird nachgesagt, dass es „Geheimagenten“ gebe, die im Verborgenen operieren, ohne dass ihre Zugehörigkeit zum Orden bekannt ist.

Wenn man „Freunde“ und „verwandte Seelen“ des Opus Angelorum sucht, findet man die meist innerhalb der kirchlich nicht anerkannten Dachorganisation VAM (Vereinigtes Apostolat im Geist Mariens), gegründet 1990, welcher auch das Engelwerk angehört. Als Mitglieder des VAM findet man einige Organisationen, deren Repräsentanten wiederum dem Engelwerk angehören – nicht aber offiziell die Organisationen selber, wie die katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE) und Servi Jesu et Mariae (SJM). Das SJM wird als Zweigorden des Kreuzordens vermutet – mit einem Vorsteher, der wiederum die KPE gegründet hatte.

 

 

Das Erzbischöfliche Jugendamt München warnte 1995 davor, dass der KPE „nahezu militärische Gehorsamsforderungen, Gruppenzwang und intensive Gefühlsmanipulationen" nachgesagt werden. Gegen den allgemeinen Sittenverfall setzt die KPE Sittenstrenge, sexuelle Enthaltsamkeit, intensive Sühnegebete und fromme Marienverehrung. Jungen und Mädchen werden strikt getrennt, es gibt keine gemeinsamen Fahrten. Die katholische Pfadfinderschaft gehört übrigens keinem der vier deutschen Pfadfinderverbände an und ist kein kirchlich anerkannter Jugendverband.

Nach außen hin sind Verflechtungen des Engelwerk mit anderen Institutionen oder Organisationen kaum auszumachen – Verbindungen lassen sich nur über Einzelpersonen rekonstruieren.

 

(MR)