CHODORKOWSKI's Weg in die Freiheit

Aus einem sibirischen Gulag-Lager in die Schweiz.

Eine kurze Rekonstruktion.

Bis zur überraschenden Begnadigung und endgültigen Freilassung des Ex-Jukos Chefs Michail CHORDORKOWSKI am 20. Dezember 2013 war es ein langer Weg. Berufungen der vorangegangenen Prozesse brachten zwar Strafmilderung, jedoch keinen Freispruch.

In einem seiner letzten TV-Interviews als russischer Präsident am 27.04.2012 nimmt Dmitri MEDWEDEW zwar Stellung zum Fall Chodorkowski, macht jedoch keine Zugeständnisse: Da Michail CHORDORKOWSKI bisher noch kein Begnadigungsgesuch eingereicht habe, gebe es keinen Anlass für eine vorzeitige Haftentlassung. Weder gestehe CHORDORKOWSKI seine Schuld ein, noch bitte er um etwas. Er vermute, Russlands früherer Ölmagnat Nummer eins wolle seine völlige Unschuld beweisen, so der Präsident.

Eine Wendung der Ereignisse bringt der 20. Jahrestag der russischen Verfassung: Am 18. Dezember 2013 verabschiedet das russische Parlament einstimmig das von PUTIN vorgeschlagene Amnestie-Gesetz. Ein Gesetz, von dem auch politische Gefangene profitieren können. Auch CHORDORKOWSKI nutzt die ihm nahegelegte Möglichkeit und reicht ein offizielles Gnadengesuch ein. Das hatte er zuvor nie getan, weil damit früher ein Schuldeingeständnis verbunden gewesen wäre. Die Amnestie verzichtet jetzt darauf.

Nach einer Pressekonferenz am 19. Dezember 2013 verkündet Präsident Wladimir PUTIN unabhängig und überraschend die Begnadigung des inhaftierten Ex-Jukos-Chefs. Die Freilassung aus dem russischen Straflager Segescha geht nur einen Tag später, am 20. Dezember 2013 über die Bühne. Als maßgebender Akteur hinter den Kulissen gilt Ex-Chefdiplomat Hans Dietrich GENSCHER, der sich in enger Absprache mit der Bundesregierung um Angela MERKEL, Ex-Außenminister Guido WESTERWELLE und dem deutschen Botschafter Ulrich BRANDENBURG in Moskau, seit Monaten um die Freilassung CHORDORKOWSKI’s bemüht und diesbezüglich sogar zweimal das persönliche Gespräch mit Wladimir Putin suchte. Doch nicht nur der Weg zur Freilassung ist GENSCHER zuzuschreiben. Auch nach der Freilassung lässt er seine Beziehungen spielen und organisiert eine prompte Ausreise CHORDORKOWSKI’s per Privatjet und einem Jahresvisum von St. Petersburg in die Bundesrepublik nach Berlin. Grund dafür ist die Furcht vor einer erneuten Anklage.    

Nur drei Tage nach seiner Ankunft in Berlin findet im geschichtsträchtigen „Mauermuseum“ am Checkpoint Charlie eine medienwirksame Pressekonferenz statt. CHORDORKOWSKI beteuert, dass sein Gnadengesuch nicht als Schuldeingeständnis zu bewerten sei sondern einzig und allein auf dem gesundheitlichen Zustand seiner Mutter beruht. Sein ganz besonderer Dank gilt GENSCHER, seinen Unterstützern und auch dem Mauermuseum, das nicht nur DDR-Geschichte sondern auch neue Vorkommnisse politischer Verfolgung dokumentiert und politische Gefangene mit Stiftungsgeldern auf dem Weg in die Freiheit unterstützt. Ebenfalls hofft er auf weitere Begnadigungen seines Juniorpartners LEBEDEW und weiterer Ex-Jukos-Mitarbeiter.

Doch Berlin ist nur ein Zwischenstopp des Ex-Gefangenen auf dem Weg in die endgültige Freiheit. Trotz des Jahresvisums für die Bundesrepublik Deutschland zieht es den 50-jährigen Familienvater weiter. Sein nächstes Ziel: die Schweiz. Bereits am 30. Dezember bestätigte das schweizerische Außenministerium die Bewilligung des am 24. Dezember eingereichten dreimonatigen Schengen-Visums. Seit CHORDORKOWSKI’s Inhaftierung lebt hier seine Frau zusammen mit den beiden jüngsten Söhnen.

Bei Betrachtung der Vorkommnisse zu Prozessbeginn scheint dies jedoch nicht der einzige Grund der Ausreise zu sein: Schweizer Medien zufolge deponierte CHORDORKOWSKI bereits vor seiner Haft rund 5,1 Milliarden Euro des Jukos-Vermögens in verschiedenen Schweizer eidgenössischen Banken. Dies war im Jahr 2004 auf Antrag Moskaus kurzzeitig eingefroren, aufgrund einer erfolgreichen Beschwerde durch CHORDORKOWSKI per Gerichtsbeschluss des Schweizer Bundesgericht in Lausanne jedoch wieder freigegeben worden.

Bereits nach dem zweiten Berufungsverfahren trat die Verteidigung CHORDORKOWSKI’s mit dem Gerichtspräsidenten LEBEDEW in Kontakt. Aufgrund dessen Loyalität zum Präsidenten, nahm er den Fall jedoch erst nach PUTIN’s Begnadigung an sich und prüft nun die Rechtmäßigkeit der Prozesse.

(chh)