Über Mut und Courage in Russland

Es ist ein seltener Vorgang, nicht nur in Russland, wenn sich jemand getraut, die Wahrheit auszusprechen, wohl wissend, dass dies seine Vorgesetzten nicht hören mögen. Schon garnicht, wenn dies an die 'große Glocke', sprich in die Öffentlichkeit kommt.

In Deutschland heißt dies bei Beamten: "Flucht in die Öffentlichkeit", so das verbeamtete Juristendeutsch. Bedeutet: Illoyales Fehlverhalten gegenüber dem Dienstherrn, das sanktioniert wird. Z.B. mit einem Diszipliarverfahren. Was dann am Ende herauskommt, weiß man nicht im voraus. Es kann bis zur Entlassung aus dem Staatsdienst gehen. Beispiele gibt es zu Hauf. Nachzulesen etwa unter www.ansTageslicht.de/Whistleblower. Bzw. auch in Kurzform in über 20 kurzen Fallbeispielen.

Wer die für die Herrschenden unangenehme Wahrheit in einem Staat wie Russland ausspricht, und dies in der Öffentlichkeit, geht ein ungleich größeres Risiko ein.

Genau dies hat Natalja WASSILJEWA getan, die ehemals Pressesprecherin an jenem Gericht war und jenem Richter zugearbeitet hat, der im zweiten Verfahren gegen den bereits inhaftierten Mikhail CHODORKOWSKI ein neuerliches Urteil ausgeprochen hatte: Weitere Haft in einem Lager. Und dies, obwohl ein ehemaliger zuständiger Vizeminister einen der fraglichen Tatbestände, den "Diebstahl" von größeren Mengen Erdöl durch CHODORKOWSKI's Unternehmen Yukos als völlig absurd bezeichnet hatte.

Natalja WASSILIJEWA hat es gewagt, das seltsame Urteil zu erklären: Es war 'von oben' so gewollt. Und so durchgesetzt worden. Deshalb hat es auch der Richter mit leicht zitternder Stimme so vor- bzw. abgelesen.

Wir haben uns mit der mutigen Whistleblowerin unterhalten: per E-mail und via Skype.Wir dokumentieren zunächst ihr erstes Interview, das sie dem russischen TV-Sender Doschd TV und gazeta.ru gegeben hat dann jenes 'virtuelle' Gespräch, das wir mit ihr mit Hilfe des Internets geführt haben: Das zweite Interview.

Den Hintergrund dazu haben wir ebenfalls kurz erläutert: unter Der Fall CHODORKOWSKI.