Typische Situationen, die Alarmschlagen notwendig machen (können)

Wer von einer akut drohenden Gefahr Kenntnis hat, beispielsweise für Leib und Leben (geplanter Terror-Anschlag oder verbrecherischer Mordversuch) und nichts unternimmt, dies zu verhindern, z.B. durch Anzeige bei der Polizei, macht sich nach unserem Rechtsempfinden strafbar (§§ 13, 138 StGB). Warnen ist hier gesetzliche Pflicht. Allerdings nur bei genau solchen Verbrechen.

Von einem Experten, der aufgrund seines Spezialwissens Dinge weiß, die andere nicht wissen (können), würde man erwarten, dass er Laut gibt, wenn er Probleme entdeckt. Z.B. von einem Ingenieur, der als Planer die technische Betriebssicherheit in einem Kernkraftwerk entwickelt hatte und nachträglich einen (gravierenden) Fehler in der Anwendung durch Dritte bemerkt. Insbesondere dann, wenn sich ein solches Problem zu einem größeren Problem entwickeln könnte. Gesetzlich verpflichtet - beispielsweise alle anderen zu warnen - ist so jemand nicht. Auch winken keinerlei strafrechtliche Sanktionen. Warnen ist hier nicht vorgeschrieben, sondern erfolgt allenfalls ‚freiwillig’.

Allerdings würde man ausgewiesenen Fachleuten ein höheres Maß an Verantwortung zurechnen, die andere mangels Kenntnis spezifischer Zusammenhänge nicht haben können. Und deshalb würde man auf rechtzeitiges Reagieren setzen. Funktionieren muss das aber nicht. Es gibt genügend Beispiele, die davon traurig Zeugnis geben.

Klar wird mit diesen beiden Beispielen, dass es in unseren verschiedenen ‚Lebenswelten’ - der Arbeitswelt, der Freizeit, im täglichen Miteinander in der Gesellschaft, der Politik oder in den diversen staatlichen Systemen (z.B. Behörden) – nur äußerst selten zwingende Vorschriften gibt, die rechtzeitiges Aufmerksam-Machen oder gar (eigenmächtiges) Handeln automatisch auslösen. 

Deshalb gibt es auch keinen allgemeingültigen Katalog, in dem klipp und klar geregelt wäre, was typische Situationen sind, in denen entschiedenes Handeln, z.B. Whistleblowing, erforderlich wäre. 
Wir skizzieren hier deshalb einige Fallsituationen, die man auch als häufig vorkommende Kategorien bezeichnen könnte:


  • Verletzung ethischer Standards, Berufsnormen oder Kodices 
  • Kontroverse Risikoeinschätzungen (potenzielle Gefahren) 
  • Akute Gefahren 
  • Unterdrückung und Beseitigung (Vernichtung) von missliebigen Unterlagen 
  • Fehler und ihre Unterdrückung, Planungsfehler, ärztliche Kunstfehler 
  • Bagatellisierung von Fast-Fehlern oder bedenklichen Vorkommnissen (die zum Glück noch mal ‚gut ausgegangen’ sind) 
  • Manipulation, Täuschung und Betrug 
  • Missstände, Missmanagement, Schlendrian, Verschwendung: intern oder extern 
  • Selbstbedienung, Begünstigung und Bestechung, Korruption 
  • Gesetzesverstöße und Straftaten 
  • Verstöße gegen internationale Abkommen 
  • Unterdrückung und Ausbeutung, Ausnutzung von Abhängigen 
  • Verstöße gegen die ‚guten Sitten’; Hinsehen, wenn andere wegsehen


Die Liste ist länger als hier skizziert. Es ist auch schwierig, allgemeine Regeln oder Beschreibungen für jeden denkbaren Fall aufzustellen, wann Hinweise oder Warnungen sinnvoll und/oder notwendig sind. Vielleicht kann man drei generelle Überlegungen anstellen, die Nachdenken und gegebenenfalls Handeln auslösen sollten:

  • bei Abweichungen von der 'guten Norm', den 'guten Sitten' oder gar Vorgaben, die aus 'gutem Grund' existieren (z.B. Genfer Konvention für Kriegsgefangene, Menschenrechte usw.) und bei allen illegalen Vorgängen ohnehin 
  • bei Benachteiligungen und potenziellen Schäden für andere, die dies nicht bemerken (können) 
  • und dies insbesondere dann, wenn sich einige wenige dabei auf Kosten anderer in irgendeiner Form 'bereichern'

Die Beispiele, die wir hier vorstellen - z.B. unter Menschen, die etwas bewegen - stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Wer sich unsicher ist, ob Handeln (wirklich) notwendig ist und wie man dabei am besten vorgehen kann, dem sagen wir, an wen man sich wenden kann.

(JL)

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