Nr. 7: Prof. TRIEBIG und das Arbeitsministerium

50.000 Fälle = ca. 100.000 Wählerstimmen, jedes Jahr: 7. Schreiben an die MdB’s

Im Schreiben zuvor, Nr. 6, hatten wir einen „Fälscher“ skizziert: Prof. Dr. med. Gerhard TRIEBIG. Es war Ex-Minister Norbert BLÜM (CDU), der 2004 den Begriff „organisierte Falschdarstellung“ geprägt hatte.

Es war nicht die erste Fälschung von Prof. TRIEBIG. Auch nicht die zweite. Es war auch nicht das dritte Mal. Oder das vierte. Es hat vielmehr - ganz offensichtlich – System; gedeckt durch die „Gesetzliche Unfallversicherung“ (GUV) und das Bundesarbeitsministerium (BMAS).

Die erste Manipulation – soweit wir das rekonstruieren konnten – stammt aus dem Jahr 1983 und TRIEBIG war 34 Jahre alt, Assistent an der Uni Erlangen - der „Erlanger Schule“, siehe www.ansTageslicht.de/Triebig.

Neun Jahre später ist TRIEBIG bereits Professor an der Uni Heidelberg, als 26 betroffene Arbeitnehmer gegen ihn Strafanzeige stellen: wegen Ausstellens „unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ (§ 278 StGB). Die Staatsanwaltschaft gibt sich pikiert, muss aber ermitteln - Legalitätsprinzip! Sie lässt sich Zeit – insgesamt 6 Jahre. TRIEBIG schreibt derweil – allein im Jahr 1991 insgesamt 259 Gutachten. Aber auch Aufsätze hier, da und dort, denn die Sozialgerichte stützen sich regelmäßig auf die „herrschende Meinung“ und die wird konstituiert durch viele Veröffentlichungen. Bis zu diesem Jahr zählen wir insgesamt 13, alle zum selben Thema: Lösemittel, die nach seiner Meinung - vereinfacht gesagt - nicht sonderlich gesundheitsschädlich seien.

Die Mehrheit der deutschen Sozialrichter folgt dem. Zu Lasten der Betroffenen. Ausnahme: das SG Gelsenkirchen, das zwei andere Wissenschaftler zu Wort kommen lässt, die TRIEBIG „zahlreiche Falschaussagen“ nachweisen, wie es im Urteil auf S. 5 heißt (Az S 10 U 82/91).

Für die Berufsgenossenschaften kein Grund, auf Prof. TRIEBIG zu verzichten. Auch nicht für das Bundes-arbeitsministerium, ihn in den „Ärztlichen Sachverständigenbeirat ‚Berufskrankheiten‘“ zu berufen. Wann genau das war, wissen wir noch nicht, das BMAS verweigert uns diese Auskunft, weshalb wir jetzt vor Gericht gegangen sind. Das BMAS scheint eine der wichtigsten Stützen für diese Art von Gutachtern zu sein.

Nach 6 Jahren meldet sich auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg wieder:

"Soweit dem Beschuldigten nachgewiesen werden konnte, dass er in einzelnen Gutachten, teilweise auch gravierend, von falschen Tatsachen ausgegangen ist, muss davon ausgegangen werden, dass dies nicht wissentlich, sondern allenfalls aus Nachlässigkeit, möglicherweise verursacht durch die hohe Anzahl der von ihm erstatteten Gutachten, geschehen ist." Und: "Kein Gutachter, welcher tatsächlich den Vorsatz gefaßt hätte, ein falsches Gutachten herzustellen, würde die Torheit begehen, bewußt solche Tatsachen zu manipulieren."

Ergebnis: Verfahren n. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Az: 25 JS 9041/93).

Und so wird auch das System Justiz zum Rückgrat für die arbeitsmedizinischen Gutachter in Deutschland. Und das erklärt, weshalb das Arbeitsministerium der Meinung ist, dass es einen konkreten Grund hat, weshalb die Gerichtsverfahren in „ca. 90 Prozent“ zu Lasten der betroffenen Berufskranken ausgehen: wegen der „Qualität der Gutachter“. Wir hatten schon letztes Mal auf diese offizielle Antwort hingewiesen: BT-Drucksache 19/4093, unten auf S. 4.

In Sachen Korruptionsforschung hängt Deutschland immer 1-2 Dekaden den angelsächsischen Erkenntnis-sen hinterher. Dort gibt es den Begriff „institutionelle Korruption“. Eines der Kennzeichen: Wenn ein ad-ministratives System selbst den Zweck verändert und „abweichendes Verhalten zur Norm“ wird: Im BMAS stand nie zur Diskussion, „Fälscher“ aus dem Beratungsgremium „ÄSVBR BK“ zu entfernen. Das dient offenbar als Empfehlung: vor kurzem hat TRIEBIG einen neuen Auftrag erhalten: von der „Unfallkasse NRW“.

Diese Kurzfassung unter www.anstageslicht.de/Faelscher , ausführlich:  www.anstageslicht.de/Triebig, , ein Portrait des BMAS unter www.anstageslicht.de/BMAS sowie der gesamte Kontext dieser Serie unter www.anstageslicht.de/MdB . Die „Politik da oben“ - inkl. der MdB‘s - scheint das alles zu akzeptieren.


Hinweise

Diesen Text gibt es auch auf 1 DIN A 4-Seite als PDF.

Die bisherigen Schreiben bzw. Texte sind Bestandteil einer Serie, die unter www.ansTageslicht.de/MdB beschrieben ist, und gleichzeitig methodischer Baustein des Forschungsprojekts Risikowahrnehmung durch Medienresonanz und öffentlichen Diskurs.

Informationen über den Autor: www.johannesludwig.de

Online am: 15.07.2021
Aktualisiert am: 19.09.2021


Inhalt:

Nr. 7: Das Arbeitsministerium und Prof. TRIEBIG


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