Boris NEMZOW

Politiker
Ehemaliger Stellvertreter des Premier-Ministers in den 90er Jahren und Vertreter des politischen Establishments der Anfangszeit, seit 2000 erklärter Gegner von PUTIN;
Leiter der PARNAS-Partei (Partei der Volksfreiheit), am 27. Februar 2015 erschossen


(Boris NEMTSOV, Борис Немцов) 

Jahrgang 1959, Studium und Ph.D. der Physik. Als 1989 in der Sowjetunion der Umbruch beginnt, lässt er sich in das damalige 'Parlament' wählen und vertritt seine heimatliche Region, das Nizhegoroder Gebiet (Nizhny Novgorod). Mit seinen Forderungen nach freien Wahlen, Mehrparteiensystem und freies Unternehmertum gilt er als radikal. Er schließt sich den liberalen Kräften an.

1991 unterstützt er den russischen Präsidenten JELTSIN, als die alten Kräfte gegen das inzwischen neu gewählte Parlament putschen wollen. JELTSIN ernennt ihn zum Gouverneur von Nischni Novgorod (Nizhny Novgorod) und NEMZOW wird 1995 in dieser Funktion auch durch - inzwischen - Wahlen bestätigt. Er setzt Reformen durch, 'seine' Region zeichnet sich durch Wachstum aus. In einer Unterschriftensammlung setzt er sich für den Abzug der russischen Truppen aus Afghanistan ein.

1993 wird er für Nischni Novgorod in den Föderationsrat gewählt, der die über 80 russischen Regionen vertritt - als Pendant zur Staatsduma. Gleichzeitig tritt er in die Jabloko-Partei ein. 1997 wird NEMZOW stellvertretender Ministerpräsident von Russland. Er ist landesweit sehr populär, gilt aus aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2000 - als Nachfolger von JELTSIN.

1998 macht ihm die weltweite Finanzkrise, die auch Russland erreicht, einen Strich durch seine politische Karriere. Und auch JELTSIN beginnt zu straucheln. Er wird Mitbegründer der "Union der rechten Sache" ("Junges Russland"), einer neoliberalen Partei, und zieht 1999 in die Staatsduma ein.

2000 organisiert er ein Treffen zwischen 21 führenden Oligarchen und dem neuen Staatspräsidenten PUTIN. Der warnt die Wirtschaftsvertreter unmissverständlich vor einer Einmischung in die Politik. Als im selben Jahr das U-Boot "Kursk" untergeht und PUTIN erst eine 2tägige Informationssperre verhängt, damit die internationale Hilfe verzögert und erst spät sich zu dem Unglücksort begibt, wirft NEMZOW ihm "unmoralisches" Verhalten vor. Ab jetzt ist er auf klarem Konfrontationskurs mit PUTIN.

2001 ist er an dem Geiseldrama (militante islamistische Rebellen aus Tschetschenien) im Moskauer Dubrowka-Theater bei den ersten Verhandlungen beteiligt, bevor die Staatsmacht die Situation mit einem Gas-Angriff beenden will: 170 Tote. 2003 ziehen mehrere Parteien nicht mehr in die Duma ein - die Wahlen gelten als gefälscht. Zitat NEMZOW: " Die Parlamentsmehrheit gehört nun denen, die für den Polizeistaat stehen, für das Einschränken bürgerlicher Freiheiten, für das Ende der unabhängigen Justiz." Ein Jahr später veröffentlicht er mit seinem Freund Wladimir KARA-MURSA einen Artikel "Über die Gefahren des Putinismus" (RU), in dem er vor einer drohenden PUTIN-Diktatur auf Lebenszeit warnt. Parallel dazu gründet er das "Komitee für freie Wahlen im Jahr 2008".

2008 wird er von seiner Partei als Kandidat aufgestellt - er zieht seine Kandidatur wieder zurück: die Wahl sei eine "Farce" . Präsident wird Dmitrij MEDWEDEW als vorübergehender "Statthalter" für PUTIN, der laut Verfassung vier Jahre pausieren muss.

Am 10. März 2010 unterzeichnet er wie viele andere Intellktuelle, Künstler u.a. ein Manifest der russischen Opposition Putin muss gehen . Initiator ist Garri KASPAROW. 

Inzwischen gehörte NEMZOW zu den führenden Köpfen der Bewegung "Solidarnost" - wie auch KASPAROW, Ilja JASCHIN, PONOMARJOW u.a.. Er wird in der Nacht des 27. Februar ganz in der Nähe des Kreml heimtückisch erschossen.

NEMZOW hat mehrere Bücher und Broschüren veröffentlicht. 2007 das Buch "Beichte eines Rebellen". Seine politischen und kritischen Broschüren, die er kostenlos verteilen lässt (siehe Foto von "http://i-hate-sult.livejournal.com/"), tragen die Bezeichnung "Unabhängiger Expertenvortrag": 

Wo die Person ebenfalls eine Rolle spielt: