Stuttgarter Zeitungsmarkt und Stuttgarter Modell: die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH)

Die Region

Die Landeshauptstadt Stuttgart bildet das Zentrum des 1952 entstandenen Bundeslandes Baden-Württemberg. Bekannte Automobilwerke wie Mercedes Benz und Porsche sowie High Tech-Firmen und Computerbau machen die Region zu einem der industriestärksten Ballungsräume Deutschlands. Rund 590.000 Einwohner leben in der Landeshauptstadt, die seit eh und je von der CDU regiert wird.

Stuttgart ist aber auch eine Medienstadt. So hat der öffentlich-rechtliche SWR (Südwestrundfunk, vormals Süddeutscher Rundfunk) hier einen Sitz. Außerdem sind viele bundesweit führende Fachverlage in Stuttgart beheimatet, z.B. der Ernst-Klett-Verlag, Kosmos oder Reclam. DieVerlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH etwa unterhält hier ihre zentrale Holding. Sie hat sich 2009 aufgespalten, u.a. in die Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH, zu der (nach wie vor) Tageszeitungen wie der Tagesspiegel in Berlin, die Handelsblatt-Gruppe (Düsseldorf) sowie eine 50%ige Beteiligung an der Wochenzeitung DIE ZEIT gehören. Zur alten Verlagsgruppe zählen beispielsweise die Buchverlage Rowohlt in Hamburg, S.Fischer in Frankfurt, Kiepenheuer & Witsch, Köln oder Droemer Knaur.

Geprägt wird die Medienstadt Stuttgart aber vor allem von seinen beiden hier erscheinenden Tageszeitungen: Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Sie erscheinen in ein- und demselben Verlag, der Südwestendeutschen Medienholding.

Der Weg zum „Stuttgarter Modell“

Kooperationen waren in Stuttgart schon immer aktuell. Bereits vor einhundert Jahren hatten sich die beiden führenden Zeitungen in einer gemeinsamen Holding zusammengetan, um statt Konkurrenz „Kontrast“ zu machen: das eine Blatt eher liberal und auf die ‚hohe Politik’ konzentriert, das andere mehr traditionell und vor allem auf das lokale Geschehen ausgerichtet. Wichtigster Eigentümer damals: der Industrielle Robert BOSCH bzw. die Stuttgarter Firma Bosch, die noch heute zu den weltweit führenden Elektro-, Elektronik- und Autozulieferfirmen gehört.

Eine der beiden Zeitungen, das Stuttgarter Neue Tageblatt, konnte sich – aufgrund des Einflusses der Familie BOSCH, die sich schon damals erklärtermaßen nicht zu den Anhängern des Nazi-Regimes zählte – bis 1943 halten, bevor sie durch den damaligen Gaupressewart per Amtsverfügung ‚aufhören’ musste.

1945 – zur Zeit der „Stunde Null“ – vergaben die amerikanischen Alliierten eine Zeitungslizenz an mehrere politisch unbelastete Bürger. Sie hatten alle kein Kapital, aber Rückgrat im Dritten Reich bewiesen. Sie gaben ihrem neuen Blatt den Titel Stuttgarter Zeitung (StZ).

Ein Jahr später entstand auf gleiche Weise eine zweite Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten. Nach längerem Hin und Her zog sich erst die Familie BOSCH aus dem Zeitungsgeschäft zurück, die sich zwischenzeitlich wieder in dieStZ eingekauft hatte, danach übernahm die StZ die Stuttgarter Nachrichten (StN), die kurz vor der Pleite stand. Weil die BOSCH-Erben ihre Anteile an die Zeitungsverleger aus Ludwigshafen und Ulm verkauft hatten, sind nun auch die Verleger der angrenzenden Regionen mit ihren dortigen Tageszeitungen an der Stuttgarter Zeitungsholding beteiligt: die SÜDWEST-Presse aus Baden-Württemberg sowie die Die Rheinpfalz - Gruppe aus Rheinland-Pfalz.

Die genauen Beteiligungsverhältnisse und die vielfältigen wechselseitigen Verflechtungen sind so kompliziert verschachtelt, dass wir Ihnen nur den groben Aufbau zeigen wollen: die zentrale Holding heißt inzwischenSüdwestdeutsche Medienholding (SWMH). In ihr sind wiederum beide Stuttgarter Zeitungstitel vereint: die StZ als liberales weltoffenes Blatt und die StN als Zeitung fürs Regionale und Lokale im Einzugsgebiet der Schwabenmetropole. Statt Konkurrenz wird wiederum Kontrast praktiziert. In Zeitungskreisen spricht man auch vom „Stuttgarter Modell“.

Die beiden Kontrastzeitungen

Die Stuttgarter Nachrichten sind ein Kooperationsprojekt zwischen mehreren kleinen schwäbischen Zeitungsverlegern und der SWMH, an der auch die Kleinverleger beteiligt sind. Die 14 regionalen Verlage bzw. Zeitungstitel verantworten ihren Regional- und Lokalteil selbst, alles andere können sie von der Stuttgarter Zentralredaktion der StN beziehen.

Einige Blätter sind so klein, dass sie selbstständig nicht überleben könnten – die Kornwestheimer Zeitung beispielsweise hat eine Geringstauflage von 3.400 Exemplaren. Die Auflage des gesamten Zeitungsverbunds beträgt rund 350.000 Exemplare täglich, wobei auf die Stuttgarter Nachrichten der Löwenanteil entfällt: 217.000 Exemplare. Die Lokalausgabe "Stuttgart" der Stuttgarter Nachrichtenbeträgt dabei 52.000 Exemplare täglich.

Die Stuttgarter Zeitung ist die publizistisch führende Tageszeitung in Baden-Württemberg und versteht sich als „Regionalzeitung mit überregionalem Qualitätsanspruch“. Sie hat ein Auflagenvolumen von rd. 134.000 Exemplaren. Etwa 45 Prozent der Gesamtauflage verkaufen sich in Stuttgart, der Rest außerhalb der Stadt. Knapp 120 fest angestellte Redakteure und nochmal so viele freie Mitarbeiter sind für sie im Einsatz. Außerdem unterhält sie Korrespondenten in sieben Städten in Baden-Württemberg, fünf Redakteure im Berliner Büro und Korrespondenten in weiteren sieben deutschen Städten. 20 Auslandskorrespondenten berichten für die Zeitung aus verschiedenen Ecken der Welt, von Johannesburg bis Peking. Keine andere Zeitung in Deutschland hat so ein breites Netz von Korrespondenten.

www.stuttgarter-zeitung.de

(ash / sko)