Der Abrechnungsbetrug mit Toten im Überblick

Bis 2004 konnten die Betrüger im Gesundheitswesen und der medizinischen Versorgung ihre Geschäfte sehr leicht durchführen, denn das Finanzierungs- und Abrechnungssystem war bis dahin absolut intransparent, insbesondere für jene, die alles bezahlten: die Krankenkassen-Beitragszahler bzw. deren gesetzlichen Krankenkassen. 

Und das funktionierte so: Wer krank war, ging zum Arzt oder ins Krankenhaus, gab seine Versicherungskarte ab und ließ sich behandeln. Was der Mediziner aus den ausgelesenen Daten machte, wussten die Patienten nicht. Die meisten interessierte es auch nicht, denn die Krankenkasse bezahlte ja. Allerdings konnten die Daten der Patienten von den Ärzten mittels einer (mittlerweile verbotenen) Software über den erlaubten Zeitraum von einem Quartal hinaus gespeichert werden, so dass in der Folge eine fingierte Abrechnung von Leistungen für den Patienten selbst dann möglich war, wenn der betreffende Patient bereits die Kasse gewechselt hatte oder sogar verstorben war! 

Die Krankenkassen zahlten somit für Waren (z.B. Medikamente aus der Apotheke) und Dienstleistungen (z.B. Arztbesuche), ohne zu wissen, bei welchen Patienten bzw. Beitragszahlern welche Kosten auf Seiten der Ärzte entstanden waren. Denn die Ärzte gaben die Behandlungsdaten an die so genannten Kassenärztlichen Vereinigungen weiter, die als offizielle Standesvertretungen der Ärzte fungieren. Aber sie gaben nicht die Namen der Patienten, sondern nur anonymisierte Kennzahlen weiter. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) wiederum rechneten die vielen Einzelrechnungen aller Ärzte also anonym zusammen und übergaben diese Zahlen bzw. Kostendaten schließlich an die Krankenkassen. 

Die Krankenkassen (KKen) wussten zwar nun, welche Kosten für ihre Versicherten insgesamt bei den Ärzten entstanden waren, aber nicht für welche Patienten im Einzelnen. Sie konnten deshalb auch nicht durch Rückfragen bei den Patienten kontrollieren, ob die von den jeweiligen Ärzten über die KVen geltend gemachten Kosten auch wirklich so entstanden waren. Die KKen mussten aber zahlen – für aus ihrer Sicht anonyme Patienten bzw. anonyme ärztliche Leistungen. 

 

Betrügen – leicht gemacht 

Aus der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie aus der Managementtheorie wissen wir, dass nicht kontrollierbare Systeme nicht nur ineffizient funktionieren, sondern auch bei jenen, die davon potenziell profitieren können, zum Mauscheln geradezu einladen. 

Zahlreiche und regelmäßig bekannt gewordene Betrugsfälle im Gesundheitsbereich bestätigen dies: Herzklappenskandal, Betrug mit Zahnersatz oder wie hier im vorliegenden Fall der panorama-Berichterstattung Abrechnungsbetrug mit Toten oder wie die im Mai/Juni 2005 bekannt gewordenen Ermittlungen der Saarbrücker Staatsanwaltschaft: Dort liefen rund 1.000 Ermittlungsverfahren wegen Betruges mit Chipkarten. Eine erste Ärztin ist bereits verurteilt: wegen Untreue und Betrugs in 2.787 Fällen bzw. eines Schadens von 750.000 €. 

Insgesamt entstehe durch Kartenbetrug jedes Jahr ein Schaden von einer ganzen Milliarde Euro, so Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegenüber der Zeitschrift Focus (23/2005, S. 52).

Und so haben wir das Problem für Sie aufbereitet:

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken wollen, so können Sie das unter www.ansTageslicht.de/Abrechnungsbetrug tun.