ABC der Akteure und Verantwortlichen

BECHER, Hans

verlässt mit seiner Familie wenige Minuten vor dem Desaster die Halle, weil ihm ein Kabelbinder von der Decke direkt vor die Füße fällt. Er meint im Nachhinein, es wäre keine bewusste Angst, sondern nur ein komisches Gefühl gewesen


Fa. B. Grossmann KG

fertigt in der Zeit zwischen dem 25.02.1972 und dem 30.05.1972 die großen Hauptträger für die Dachkonstruktion 


Fa. Deuter Industriewerke AG

Diese Firma aus Augsburg errichtet das Dach der Eissporthalle. Die von ihr geplante und hergestellte Dachkonstruktion der Eissporthalle besteht aus 10 Hauptträgern mit einer Länge von je ca. 48 m und einer Höhe von 2,87 m, die die Hallenbreite von 40,5 m frei überspannen. Auf dieser Holzkonstruktion wird ein Aluminiumdach verlegt. Die Montage der Dachkonstruktion der Eissporthalle erfolgt zwischen April und Juni 1972. Sie wird von der Deuter Industriewerke AG in Zusammenarbeit mit der Zimmerei Pletschacher aus Bad Reichenhall durchgeführt


Fa. Sylvester Aichner

Am 15.03.1971 beauftragt die Stadt Bad Reichenhall diese Firma mit dem schlüsselfertigen Bau einer kombinierten Eislauf- und Schwimmhalle. Die Firma Sylvester Aichner beauftragt wiederum die Firma Deuter Industriewerke AG/Augsburg mit der Planung, Herstellung sowie Montage der Dachkonstruktion der Hallen


FLATSCHER, Hermann

von der Ausbildung her Architekt, seit Mitte der Neunziger Jahre verantwortlicher Leiter des Hochbauamtes der Stadt Bad Reichenhall 


GASSNER, Johann

Zimmerermeister und damaliger Fertigungsleiter der Firma Grossman. Ihm wird zur Last gelegt, die falsche Leimart verwendet sowie die Dachträger nicht ordnungsgemäß verleimt zu haben. Die Ärztin des Landgerichts erklärt ihn für nicht prozessfähig. Drei Wochen vor Prozessbeginn stirbt er


GRIMM, Walter

von Ausbildung und Beruf her gesehen Bauingenieur, Statiker und Bauleiter. Er ist als Bauingenieur der Abteilung Holzbau der Firma Deuter Industriewerke AG und Fachbauleiter bei der Herstellung und Montage der Dachkonstruktion der Eishalle für die Fehler bei der statischen Berechnung sowie die fachgerechte Ausführung der Arbeiten verantwortlich, diese hat er aber ohne Prüfstatik durchführen lassen. 

Vor dem Landgericht Traunstein gibt er zu, dass er die Dachträger unzulässig konstruiert und falsch berechnet habe. Ihm fällt nicht auf, dass seine Statik keinen Prüfstempel hat. Wegen Suizidgefahr wird er in einer Klinik behandelt. Vor Gericht gibt er seine Fehler zu und wird in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und erhält eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten


HAMMERDINGER, Günther

Oberstaatsanwalt, wirft der Staatsanwaltschaft vor, nicht die Verantwortlichen des Bauamts der Stadt Bad Reichenhall angeklagt zu haben


HEITMEIER, Wolfgang

Von 1988 bis April 2006 Oberbürgermeister der Stadt Bad Reichenhall. Unter seiner Ägide kam es immer öfters zu Wassereinbrüchen in der Eishalle. Er beauftragt schließlich einen Ingenieur mit einer (nicht sehr gründlichen) Überprüfung der Dachkonstruktion. Mitverantwortung an dem Desaster streitet er in jeglicher Form ab. Bei der Oberbürgermeisterwahl darauf verliert er klar gegen seinen Herausforderer


JAKOB, Helmut

Planer der Halle, ehemaliger Baudirektor von Bad Reichenhall. Seine 85. Geburtstagsfeier fällt auf den Tag des Einsturzes


KÄMMER, Thomas

Jurist und Rechtsbeistand von vier Opfer-Familien


KASTENBAUER, Andreas

Rechtsanwalt und Verteidiger des angeklagten Bauingenieurs SPITZAUER, der 2003 eine (nicht sehr gründliche) Untersuchung der Dachkonstruktion vorgenommen hat


MAYER, Josef

Betriebsleiter der Eissporthalle, der am 02.01.06 um 10 Uhr nach andauerndem heftigem Schneefall auf dem Dach der Eissporthalle die Schneelast ermittelt dabei eine Belastung von 166,5 kg/m2 errechnet. Er veranlasst keine Sperrung der Halle, da nach seinem Kenntnisstand die maximale zulässige Belastung bei 175 kg/m2 liegt. Damit liegt er aber falsch. Den Rest des Tages fällt weiter Schnee in erheblichen Mengen. Besorgt ruft er gegen 11.45 seinen Vorgesetzten FLATSCHER im Hochbauamt an und wird aufgefordert, zunächst nichts zu unternehmen. Um 14 Uhr öffnet MAYER dann die Eishalle für den zweistündigen Publikumslauf. Er will sie sogar direkt nach dem Publikumslauf um 16:00 wieder schließen, weil ihm das alles nicht geheuer ist: einige Eisläufer hörten ein Knacksen im Dachgebälk, einem anderen fällt ein Kabelbinder vor die Füße. Er kommt damit (leider) 5 Minuten zu spät ... 
Ihm wird von keinerlei Seite ein Vorwurf gemacht 


Neubauer Ingeneurbüro für Bauwesen GmbH

Geschäftsführer war der angeklagte Rüdiger SPITZAUER. Das Ingenieurbüro unterbreitete der Stadt im Jahre 2003 ein "Angebot für Ingenieurleistungen für eine Bestandstudie und Kostenschätzung für Sanierungsmaßnahmen des Bauvorhabens Schwimm-und Eislaufhalle in Bad Reichenhall". In diese Bestandstudie sollen für einen Pauschalpreis von 3. 000 Euro diverse Bauteile beschrieben und neben den technischen Erläuterungen Kostenschätzungen für anfallende Sanierungsmaßnahmen erstellt werden.  

Am 21.03.03 kommt SPITZAUER, der nur einen von 10 Balken untersucht und die anderen 9 mit dem Teleobjektiv seiner Kamera vom Boden aus untersucht, unter anderem zu folgender Feststellung: " Die Dachkonstruktion des Bauwerkes ist als ingeneurmäßige Brettschichtkonstruktion ausgeführt". ... "Die Tragkonstruktionen - sowohl Holzkonstruktion als auch Stahlbetonkonstruktion der gesamten Eislaufhalle - befinden sich in einem allgemein als gut zu bezeichnenden Zustand. In der Holzkonstruktion sind lediglich Wasserflecken aufgrund von Unregelmäßigkeiten / Wassereinbrüchen aus der Dachentwässerung festzustellen. Diese haben jedoch weder auf die Qualität noch auf die Tragfähigkeit des Tragwerkes Einfluß." 
"Abschließend ist festzustellen, dass die Gesamtlage aus tragwerkplanerischer Sicht einen guten Eindruck macht. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass aufgrund der Lebensdauer der Anlage verschiedene Bauteile trotz der Erwartung und Pflege des Betriebspersonals nunmehr sanierungs- bzw. erneuerungsbedürftig sind 
"


NIEDERMEIER, Karl

Vorsitzender Richter am Landgericht Traunstein, der den Prozess in der ersten Instanz leitet


Opfer

Anna-Katharina BAUER, 13 Jahre alt 
Todesursache: Schädelhirn- und Brusttrauma 

Marina DANIUS, 10 Jahre alt 
Todesursache: Traumatischer Schock in Kombination mit erheblichem Blutverlust nach innen
 
Christian HOCHHOLZNER, 12 Jahre alt 
Todesursache: Stumpfes Brustkorbtrauma
 
Andreas JAHN, 15 Jahre alt 
Todesursache: Offenes Schädelhirntrauma
 
Barbara KIRCHNER, 40 Jahre alt 
Todesursache: Stumpfes Brustkorbtrauma
 
Lea KIRCHNER, 7 Jahre alt 
Todesursache: Intensive Rumpfkompression
 
Violetta MARTENS, 15 Jahre alt 
Todesursache: Brustkorbkompression in Verbindung mit einer Einengung der äußeren Atemwege
 
Helena REHRL, 10 Jahre alt 
Todesursache: Schwerstes offenes Schädelhirntrauma
 
Christina SCHMIDBAUER, 11 Jahre alt 
Todesursache: Unvollständige Abtrennung des Halses von Rumpf und Brustkorbquetschung mit Zerriss  lebenswichtiger inneren Organe 

Marina SCHMIDBAUER, 8 Jahre alt 
Todesursache: offenes Schädelhirntrauma
 
Simon SCHNAPPINGER, 11 Jahre alt 
Todesursache: Schädelbasisbruch mit Rückenmarkabriss
 
Janis SCHÖNDORFER, 12 Jahre alt 
Todesursache: Kompression des Gesichtes, der Halsweichteile und des Brustkorbes
 
Michaela SCHROMM, 38 Jahre alt 
Todesursache: Zertrümmerung des Kopfes und Zerquetschung des Rumpfes
 
Florian TRECHA, 9 Jahre alt 
Todesursache: Hals- Brustkorbkompression
 
Irene ZAUNER, 40 Jahre alt 
Todesursache: Brustkorbkompression 


PAULUS, Horst

Leiter des städtischen Hochbauamts 1971, in dieser Funktion Ansprechpartner und zuständig für die Eissporthalle. Er läßt zu, dass ohne eine von einem Prüfingenieur genehmigte Statik die Bagger anrollen. Die Staatsanwaltschaft klagt ihn ebenfalls an. Wegen Krankheit wird das Verfahren gegen den 72jährigen gleich nach Prozessbeginn abgetrennt. Der Angeklagte Horst Paulus ist inzwischen verstorben


PAULUS, Peter

Mitarbeiter der Stadt , zuständig für die Sportanlagen. Er informiert Thomas RUMPELTES, den Vorsitzenden des Eishockeyvereins unmittelbar vor dem Einsturz, darüber, dass die Halle aus Sicherheitsgründen geschlossen werden müsse. Er bittet ihn, eine Telefonkette zu starten, um das Hockeytraining ausfallen zu lassen


REICHERS, Rolf

Architekt und freier Mitarbeiter des Architekturbüros SCHMIDT-SCHICKEDANZ, der für die Architektenleistungen für die Eishalle zuständig ist und trotz fehlender Prüfstatik die Durchführung der Arbeiten zulässt. Wird angeklagt. Beteuert vor Gericht seine Unschuld und weist der Stadt als Bauherr, Aufsichtsbehörde und Betreiber der Halle die Hauptverantwortung zu. Wird freigesprochen. 


RUMPELTES, Petra

die dritte Vereinsvorsitzende des Eishockey-Vereins EAC Bad Reichenhall. Sie informiert die Spieler per Telefonkette über den Ausfall des Hockeytrainings


RUMPELTES, Thomas

von Beruf Taxifahrer; erster Vorsitzender des Eishockey-Vereins EAC Bad Reichenhall, der nach einem Warnanruf sofort über seine Frau die Telefonkette inittiert und alle Spieler rechtezitig erreichen kann - außer dem 15jährigen Andreas, der sich bereits beim Publikumslauf 'warmläuft'. 

Im Zusammenhang mit seinen offenen Worten und seiner dezidierten Kritik an der Stadt Reichenhall wird ihm (daraufhin) der Kreditrahmen durch die Sparkasse zusammengestrichen


SCHMIDT-SCHICKEDANZ, Hans-Jürgen

Architekt, ihm überträgt die Baufirma Sylvester Aichner sämtliche Bauleistungen gemäß § 19 Abs. 1 GOA sowie die örtliche Bauführung für das Bauobjekt. Er war der Gesamtverantwortliche des Projekts auf Seiten der Bauausführenden


SEITZ, Henrike

Architektin und seit 1986 die verantwortliche Stadtbaudirektorin in Bad Reichenhall. Gegen sie werden die Ermittlungen eingestellt, da nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ihr das Fehlen einer geprüften Statik nicht hätte auffallen müssen, da sie erst lange nach dem Bau ins Amt gekommen ist. Außerdem könnte man ihr nicht vorwerfen sich nicht um die Gebäudesicherheit gekümmert zu haben, da sie im Jahr 2003 den Ingenieur SPITZAUER mit der Erstellung eines Gutachtens über die Eislauf - und Schwimmhalle beauftragt hat


SPITZAUER, Rüdiger

Bauingenieur und Statiker, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Neubauer, das 1992 mit der Olympiabewerbung von Bad Reichenhall beauftragt worden war; hatte im Jahre 2003 ein fehlerhaftes Gutachten über den baulichen Zustand der Eishalle erstattet. Hatte aber die beauftragten Untersuchungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen und sei deshalb zu falschen Ergebnissen gelangt; er hätte zudem die Prüfstatik hinzuziehen müssen, so dass ihm deren Fehlen hätte auffallen müssen. 2003 bezeichnet er den Zustand der Halle in einem Gutachten für die Stadt als "gut". Die Anklage gegen ihn entspringe den "freien Phantasien" der Staatsanwaltschaft, sagt er. Ein umfassendes Statik-Gutachten sei nie sein Auftrag gewesen, die Stadt habe schließlich nur 3. 000 Euro bezahlt. Wird freigesprochen 


VORDERMEYER, Helmut

Traunsteins Leitender Oberstaatsanwalt, der am 03.01.2006 die Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung aufnimmt 


ZAUNER, Franz

Zeuge vor Gericht, der von großen Pfützen inmitten der Eishalle berichtet, als er 2005 einen Flohmarkt in der Eishalle besuchte. Wurde durch den Einsturz zum Witwer. Seine Frau Irene stirbt in den Trümmern. ZAUNER schreibt einen Leserbrief, doch das Reichenhaller Tagblatt weigert sich, diesen zu veröffentlichen. Der Brief hing lange Zeit am Bauzaun der eingestürzten Eishalle:

  • man sei bereit,  "bereits wenige Wochen nach dem Unglück alles eiskalt unter den Teppich zu kehren"
  • wenn der Oberbürgermeister Heitmeier  "nichts über den maroden, wasserdurchlässigen Dachzustand"  gewusst haben wolle, müsse er  "wegen seiner Falschheit und Verlogenheit den Nobelpreis erhalten"


(JL)