Der Prozess gegen Irene BECKER

Eindrücke über die "Stationsschwester Tod"

Wie viele von Irene BECKERS Arbeitskollegen konkrete Verdachtsmomente hatten, machte sich insbesondere während der Gerichtsverhandlung bemerkbar. Fast jeder ihrer Kollegen sprach vor Gericht von negativen Erfahrungen mit Irene BECKER. Dazu einige Notizen: Beobachtungen von Zeugenaussagen vor Gericht.

Am 18.04.2007 beginnt der Schwurgerichtsprozess gegen Irene BECKER im so genannten Honecker-Saal des Gerichtsgebäudes in Berlin - Moabit.

Während des Prozesses sagen rund 40 geladene Zeugen aus.

Gleich am 1. Prozesstag berichtet der Stationsarzt und stellvertretende Oberarzt der Station 104i von einem Vorfall, der sich 2001 ereignete. Irene BECKER habe während einer Reanimationsmaßname eigenmächtig die Beatmungsmaschine eines Patienten ausgeschaltet. Nach einer Diskussion zwischen dem Arzt und Irene BECKER habe sich so etwas nicht mehr wiederholt. Seither zitiert der Stationsarzt diesen Vorfall bei Weiterbildungsseminaren für junge Assistenzärzte als Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich bei dem Pflegepersonal durchzusetzen.

Eine Krankenschwester sagt im Zeugenstand aus, sie habe keine Probleme mit der Angeklagten gehabt.

Am 2. Prozesstag stellt Nebenankläger, Prof. ARLT seine Fragen an die Stationsschwester: „Würden Sie mir zustimmen, dass mein Vater und drei andere Patienten friedlich hätten sterben können, statt Opfer dieser Person zu werden, wenn Sie rechtzeitig eingegriffen hätten?“ Die Zeugin antwortet: „Weiß ich nicht, das könnte ich nur mutmaßen.“

Am 3. Prozesstag sagt der Direktor der Kardiologie aus, er habe es als beruhigend empfunden, dass eine so erfahrene Krankenschwester wie Irene B. auf der Intensivstation arbeite. Zu keinem Zeitpunkt sei ihm etwas Nachteiliges an ihrer Arbeitsweise aufgefallen. Weiter meint er, einen sehr guten Draht zu dem Pflegepersonal zu haben: „Meine Mitarbeiter haben keine Geheimnisse vor mir.“

Die Angeklagte stellt ebenfalls Fragen. Zum Beispiel an den Pfleger, der die leere Ampulle sicherte, mit deren Inhalt sie eines der Opfer tötete: „Warum haben Sie mich nicht angesprochen?“

Oder sie fragt die Stationsschwester, ob sie schon einmal ein Weiterbildungsseminar besucht habe?

Im Zeugenstand berichtet ein Arzt, man werde von einer Reihe von Pflegekräften, die schon lange auf der Station arbeiten, „von oben herab angesehen“. Bei Irene BECKER sei es sogar „ausgeprägter gewesen.“

Mehrere Ärzte sagen vor Gericht aus, die Angeklagte sei „kritikfreudiger“ als andere Pflegekräfte. Diagnostische und therapeutische Entscheidungen seien von ihr besonders oft hinterfragt worden. Anschließend wurde oft noch lange darüber diskutiert.

Eine junge Krankenschwester sagt aus, die Angeklagte habe Ärzte auf dem Flur „angeschrieen“, um die Therapie, die sie richtig fand, durchzusetzen.

Ein anderer Arzt sagt aus, dass auch er sich von Irene BECKER vorwerfen lassen musste, er würde sich auflehnen gegen den Tod, gegen die Gesetze Gottes und könnte Patienten nicht sterben lassen. Dieses Gespräch habe am zweiten Arbeitstag des Arztes auf der Intensivstation stattgefunden. Und es sei ziemlich ungewöhnlich, gleich zu Beginn mit so massiven Vorwürfen konfrontiert zu werden.

Eine Gastärztin spricht von „professionellem Misstrauen“, das bei den Ärzten bezüglich der Angeklagten geherrscht habe. Man habe vermehrt überprüfen lassen, ob sie die ärztlichen Anordnungen ausführte: „Das wusste eigentlich jeder.“

Wieder ein anderer Arzt sagt aus, er habe die Angeklagte darauf hingewiesen, dass der Tubus, das heißt der Beatmungsschlauch, fehlplatziert sei und zu weit hinausrage. Die Angeklagte habe dies heftig bestritten. Er, der Arzt, habe Atemgeräusche gehört, kurz darauf sei der Tubus herausgerutscht. Der Patient musste mit Sauerstoffmaske stabilisiert und re-intubiert werden. Es kam zu keiner Diskussion. Der Zeuge schlussfolgerte daraus, sie habe sich geschlagen gegeben...

(JB)