Die 56 Berichte der SÜDWEST PRESSE aus Ulm, 27.12.2013

von Rudi KÜBLER, Christoph MAYER

„Das Uni-Klinikum ist eine Perle“

SÜDWEST PRESSE , 27.12.2013 von Rudi KÜBLER, Christoph MAYER

Dem Uni-Klinikum Ulm steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Wie geht es weiter? Können Löhne und Gehälter gezahlt werden? Das fragten wir den Vorstandsvorsitzenden Prof. Klaus-Michael Debatin.


Wie oft haben Sie es in den vergangenen Monaten schon bereut, das Amt des Leitenden Ärztlichen Direktors übernommen zu haben? Sie hatten ja zunächst gezögert, als es um die Nachfolge von Reinhard Marre ging.


KLAUS-MICHAEL DEBATIN: Ich wollte ursprünglich meine Rolle als Klinikchef und Forscher weiter ausfüllen. In diesem Sommer aber war die Situation eine andere: Es ging um das Thema Verantwortung. Von vielen Seiten wurde ich gebeten, und es wurde auch Unterstützung signalisiert. Da war es für mich selbstverständlich, diese Verantwortung zu übernehmen. Dass die Aufgabe nicht einfach werden würde, war mir klar – vor allem vor dem Hintergrund der finanziellen Situation, deren Tragweite sich allerdings erst nach dem Kassensturz im Juli offenbarte.


Wie steht es denn derzeit finanziell um das Klinikum?


DEBATIN: Zum Thema Finanzierung kann ich mich im Moment nicht äußern. Es laufen Gespräche mit den Ministerien, dem Wissenschaftsministerium vorrangig, ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächsten Jahres einen ganzen Schritt weiter sind.


Löhne und Gehälter sind derzeit nicht in Gefahr?


DEBATIN: Die Gefahr, Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen zu können, sehe ich derzeit nicht. Alles hängt auch von den Gesprächen mit den Ministerien ab. Nach dem heutigen Stand haben wir die Liquiditätsprobleme des vergangenen Jahres jedenfalls nicht, zumal sich das Klinikum in diesem Jahr gut entwickelt hat. Die Last ist groß, aufgrund der Zinszahlungen und Schuldentilgung kann es immer eng werden. Aber noch einmal: Aktuell gibt es kein Liquiditätsproblem.


Sie haben zusätzliche 5 Millionen Euro pro Jahr vom Land gefordert? Gibt es Signale?


DEBATIN: Die gibt es, aber ich kann und will nicht aus den Gesprächen mit den Ministerien plaudern. Nur so viel: Die Gespräche haben einerseits zum Inhalt, was das Uni-Klinikum tun kann, um die finanzielle Situation zu verbessern. Andererseits geht es darum, was kann, was muss das Land tun, um die hohen Eigenfinanzierungslasten besser zu verteilen oder uns von den Schultern zu nehmen.


Hat das Uni-Klinikum noch Rücklagen? Im Sommer waren sie noch auf 17 Millionen beziffert worden . . .


DEBATIN: Wir haben noch Rücklagen. Die Botschaft ist: Das Klinikum arbeitet solide, wir werden nicht unser allerletztes Hemd hergeben.


Die Rücklagen dürften aber weiter schmelzen. Wie zu hören ist, macht die BAM (der Baukonzern, der die neue Chirurgie erstellt hat – Anm. d. Red.) noch Forderungen in Höhe von 5 Millionen Euro geltend.


DEBATIN: Die Schlussrechnung der BAM liegt vor, die wird im Moment bearbeitet. Der Bau ist im Kostenrahmen geblieben, mehr kann ich dazu nicht sagen.


Sie sprachen vorher davon, was das Klinikum tun kann, um die finanzielle Situation zu verbessern. Kommt es 2014 zu gravierenden Einschnitten? Müssen die Mitarbeiter um ihre Jobs fürchten?


DEBATIN: Nein, wir haben in vielen Bereichen den Personalabbau bereits aufgehoben, da wurde mit dem Rasenmäher gekürzt. Im kommenden Frühjahr sind wir wieder auf dem Personalstand des Jahres 2009. Vor allem in der Patientenversorgung, dort, wo Not am Mann ist, also auf den Stationen, in der Pflege und im ärztlichen Bereich, haben wir 80 Mitarbeiter eingestellt. Wir hatten in den vergangenen Jahren ja Stationen schließen müssen. Das Klinikum hatte auch ein Problem in der Patientenversorgung . . .


. . . das aber auch daher rührte, dass die Aufgabenteilung mit dem Dienstleistungsunternehmen des Uni-Klinikums Ulm (DUU) nicht funktionierte. Was wollen Sie mit der Niedriglohn-Tochter machen?


DEBATIN: Die Niedriglohndienste müssen rechtlich einwandfrei sein, aber auch die Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Und: Die Schnittstellen müssen besser funktionieren als bisher. Das Uni-Klinikum Freiburg hat die ausgegliederte Tochter in neuer Funktion wieder reintegriert. Wir haben noch nicht rechnerisch überprüft, ob uns die DUU etwas einspart; wir werden das genau anschauen müssen. Klar ist, dass die DUU ein Stachel im Fleisch des Personalrats ist – und dass der Personalrat gerne eine schnelle Lösung hätte, liegt auf der Hand.


Wo wollen Sie denn sparen?


DEBATIN: An Stellen, die nichts mit der medizinischen Versorgung zu tun haben, beispielsweise in der Verwaltung.


Stichwort Verwaltung: Viele Mitarbeiter haben außertarifliche Verträge – und zusammen mit Bonuszahlungen Gehälter in sechsstelliger Höhe erhalten. Wollen Sie an diese Verträge rangehen?


DEBATIN: Tabus gibt es nicht. Auf der einen Seite müssen wir fragen: Wie gewinnen wir die richtigen, die guten Leute? Die bewegen ja teilweise Millionen Euro. Auf der anderen Seite geht es darum: Haben wir das richtige Anreizsystem?


Am 2. Januar tritt der neue Kaufmännische Direktor sein Amt an. Was erwarten Sie von Joachim Stumpp? Sie hatten einen anderen Favoriten.


DEBATIN: Zunächst mal: Die Auswahl des Kaufmännischen Direktors ist Sache des Aufsichtsrats. Die Personalentscheidungen sind in einer solchen Situation, wie wir sie haben, sicherlich schwierig. Denn der Personenkreis, der für solche Stellen in Frage kommt, ist erstaunlich überschaubar. Joachim Stumpp hat ein großes Klinikum in Ludwigshafen geführt, er ist zweifellos ein guter Kaufmann, der die finanziellen Probleme lösen kann. Da hat er meine volle Unterstützung. Wir haben mehrere Gespräche geführt, ich bin optimistisch . . .


. . . aber er war nicht Ihr Wunschkandidat . . .


DEBATIN: . . . was heißt Wunschkandidat! Wenn man sich jemanden backen könnte, dann wäre es ein Kandidat aus dem universitären Bereich gewesen. Jemand, der die speziellen Probleme der Uni- Medizin kennt. Aber Herr Stumpp wird das lernen, beziehungsweise er hat schon realisiert, dass ein Uni-Klinikum anders aufgestellt ist als ein städtisches Krankenhaus. Er wird als Teamplayer agieren müssen.


Wie sieht Ihre Zukunft als Leitender Ärztlicher Direktor aus? Ihr Vertrag läuft bis 30. September 2014?


DEBATIN: Ich werde mich Anfang des Jahres mit dem Aufsichtsrat zusammensetzen und überlegen, wie es weitergeht. Aber auch der Aufsichtsrat muss sich entscheiden: Will er, dass ich weitermache? Das Doppelkonstrukt, auf der einen Seite Chef der Kinderklinik, auf der anderen Seite Leitender Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums, ist langfristig nicht möglich . . .


. . . und auch schwierig für Sie. Die Belastung ist doch enorm . . .


DEBATIN: Das stimmt, der Arbeitsumfang hat zugenommen, das geht teilweise an die physischen Grenzen. Ich kann das nur machen, weil ich weiß, dass meine Klinik gut aufgestellt ist. Ich glaube aber, dass es dem Klinikum insgesamt gut tut, dass im Vorstand jemand ist, der mit ganzem Herzen Uni-Mediziner ist, der weiß, wie eine Klinik tickt, der weiß, wie die Mitarbeiter ticken. Das hilft in der Zusammenarbeit.


Die Negativschlagzeilen, die der Ex-Vorstand verursacht hat, haben zu einem großen Imageschaden geführt. Wie wollen Sie das Renommee des Klinikums wieder aufpolieren?


DEBATIN: Letztendlich können wir nur durch Leistung überzeugen, durch die Zuwendung, durch die Pflege, durch die medizinische Versorgung. Dadurch, dass die Verwaltung gut funktioniert, wird sich unser Image nicht verbessern. Wir können den Mitarbeitern helfen, indem wir die Arbeitsbedingungen verbessern, die Arbeitsbelastung reduzieren. Ein wichtiger Punkt ist die einzelnen Kliniken zu stärken. Wenn die Menschen das Gefühl haben, ich arbeite in der HNO-Klinik und das ist eine gute Klinik, der Chef kümmert sich, dann wird sich die Moral der Mitarbeiter ändern. Nach dem Motto: Ich arbeite am Klinikum, und ich bin stolz darauf.


Was wünschen Sie sich für 2014?


DEBATIN: Dass wir die Finanzierungsprobleme gelöst bekommen und die Mitarbeiter weiter so engagiert bei der Sache sind. Dann mache ich mir überhaupt keine Sorgen, ganz gleich welche Funktion ich bekleide. Das Uni-Klinikum ist klein, aber fein. Wir sind eine Perle.