Filmen mit versteckter Kamera und Persönlichkeitsschutz


Vieles läuft heimlich und im Stillen. Ganz bewusst. Was niemand weiß, macht niemanden heiß. 

Mit Transparenz hat dies nichts (mehr) zu tun. In offenen und demokratischen Gesellschaften müssen Informationen und Vorgänge, die alle etwas angehen, aber transparent sein. Dafür zu sorgen, ist eine der Aufgaben des Journalismus.

Öffentlich zu machen, dass in einer abgeschlossenen Koranschule in Bonn am Rhein junge Menschen, Kinder zumal, durch sogenannte Hasspredigten gegen alles Mögliche aufgestachelt werden, ist journalistische Pflicht, wenn man davon erfährt. Bei panorama war das so. Ein Besuch in der fraglichen Moschee mit versteckter Kamera dann der logischerweise nächste Schritt. Dann die Veröffentlichung über die Fernsehschirme:

  • am 2. Oktober 2003: "Brutstätten der Gewalt - Hass und Hetze an deutschen Koranschulen"
  • sowie am 23. Oktober 2003: "Heiliger Krieg am Rhein - Terrorverdacht an deutschen Koranschulen".

Die Koranschule suspendierte den "Hassprediger". Der verklagte daraufhin panorama auf Schadensersatz wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. U.a. sei seine Predigt missverstanden und vieles falsch übersetzt worden in den Fernsehberichten.

Der Prediger verlor seine Prozesse. Zunächst vor dem Landgericht Köln, danach auch vor dem Oberlandesgericht in Köln. Auch dessen Richter beriefen sich auf die längst gängige Rechtsprechung, dass unsichtbare Bildaufnahmen nicht rechtswidrig wären und die aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzten Predigtpassagen zutreffend wiedergegeben worden seien. Demnach bestünde kein Anspruch auf Geldentschädigung für den verloren gegangenen Arbeitsplatz.

Hier Auszüge aus dem Urteil des OLG Köln aus dem Jahr 2005. Zum einen als PDF: OLG Köln vom 17.5.2005, Az: 15 U 211/04

zum anderen hier als Fließtext:

Zum Sachverhalt:

Mit der Klage nimmt der Kläger (gemein: „Hassprediger“) die Beklagte (gemeint: NDR / panorama-Redaktion)  auf Zahlung einer Geldentschadigung wegen vermeintlicher Verletzung sei­nes Persönlichkeitsrechts durch zwei im Oktober 2003 ausgestrahlte Beitrage eines Fernsehmagazins in Anspruch, außerdem verlangt er die Feststellung, dass die Beklagte ihm Schadensersatz für die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Folge der Berichterstattung zu leisten haben. Unter dem Titel ,,Brutstätten der Gewalt - Hass und Hetze an deutschen Koranschulen" war am 2. 10. 2003 ein Bericht über eine mit versteckter Kamera gefilmte Predigt des KLÄGER an der L-Akademie ausgestrahlt worden, in deren Verlauf der dem Originalton unterlegten Obersetzung zufolge die anwesenden Eltern von dem KLÄGER dazu aufgerufen wurden, ihre Kinder zum ,,Heiligen Krieg" zu erziehen.

Im Rahmen des am 23. 10. 2003 ausgestrahlten Beitrags mit dem Titel ,,Heiliger Krieg am Rhein - Terrorverdacht an deutschen Koranschulen" war unter Bezugnahme auf die Sendung vom 2. 10. 2003 mitgeteilt worden, dass ,,die oberste Schulbehörde reagiert" habe und ,,der Hassprediger" suspendiert worden sei. Der KLÄGER hat behauptet der Predigttext sei fehlerhaft übersetzt worden, indem der von ihm verwendete Begriff des „ Dschihad" fälschlich mit dem Begriff ,,Heiliger Krieg" gleichgesetzt worden sei. Der Ausdruck „Dschihad" bedeute wörtlich übersetzt ,,Anstrengung" und sei von ihm im Kontext seiner Predigt in dem Sinne verwendet worden, dass sich die Eltern für eine ganzheitliche Erziehung ihrer Kinder einsetzen sollten. Infolge der falschen Berichterstattung habe er weit reichende Konsequenzen im familiären und beruflichen Bereich erlitten, unter anderem sei sein Arbeitsverhältnis an der L-Akademie auf Grund der Berichterstattung mit Wirkung zum 31. 1. 2004 gekündigt worden. 

 

Aus den Gründen:

Der Beklagte zu 1 ist bereits, wie das LG zutreffend gemeint hat, nicht passivlegitimiert. Als Intendant und damit als dessen gesetzlicher Vertreter haftet er für die ausgestrahlten Fernsehbeitrage persönlich nur, sofern ihm selbst eine deliktische Handlung zur Last fällt, wie etwa bei einem persönlichen Organisations- und Überwachungsver-schulden. In dieser Richtung hat der Kläger jedoch nach wie vor nichts Zureichendes vorgetragen. Die allgemeine Berufung auf die im Staatsvertrag niedergelegten Pflichten genügt nicht.

Die Beklagte zu 2 bis 6 haben in ihrer Eigenschaft als Redakteure bzw. als Chefredakteur die ausgestrahlten Fernsehsendungen zwar persönlich zu verantworten. Die mit der Klage gegen sie geltend gemachten Ansprüche sind jedoch unbegründet, weil der Kläger durch die beiden Sendebeitrage des Magazins nicht rechtswidrig in seinen geschützten Rechten beeinträchtigt worden ist. Für die auf § 823 IBGB, Art. 1, 2 GG Mende Geldentschädigung ist Voraussetzung ein schwerwiegender, auf andere Art nicht wieder gut zu machender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, zu dessen Schutzgütern die persönliche Ehre und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person wie auch das Recht am eigenen Bild gehören (BVerfG, NJW 1980, 2070; NJW 1998, 2889; NJW 1999, 1322).

Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Kläger wäre zu bejahen, wenn in den beanstandeten Fernsehbei-tragen über den Kläger unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt, ihm ein falsches Zitat in den Mund gelegt oder seine Person in diffamierender Weise bloßgestellt worden wäre. Dies ist jedoch bei keinem der beiden Fernsehbeitrage der Fall, da über die Predigt des Kläger wahrheitsgemäß berichtet wurde und ihr brisanter, vom Recht zur freien Religionsausübung nicht gedeckter Inhalt von allgemeinem öffentlichen Interesse war.

Der Kläger bestreitet - wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erörtert wurde - nicht, dass die von den Beklagte eingereichte Übersetzung die entscheidenden Passagen seiner Predigt zutreffend wiedergibt. Danach hat der Kläger von den anwesenden Eltern gefordert, den Kindern ,,das Speerwerfen, das Schwimmen und das Reiten" beizubringen, „damit sie sich körperlich ertüchtigen und stark werden. Um dann bereit zu sein für den Dschihad". Soweit sich der in der Sendung vom 2. 10. 2003 ausgestrahlte Mitschnitt von dem Text dadurch unterscheidet, dass dem Begriff ,,Dschihad" von dem Sprecher die Erläuterung ,,Heiliger Krieg" hinzugesetzt wurde, handelt es sich um eine sinnend-sprechende und inhaltskonforme Übersetzung.

Der Kläger macht zwar zu Recht geltend, dass der Begriff des „ Dschihad" im Islam mehrfache Bedeutung habe, indem zwischen dem ,,kleinen" und dem ,,großen" Dschihad unterschieden werde, wobei mit dem ,,großen" Dschihad der Kampf gegen das ,,niedere Ego", also ein Bemühen um moralische Werte, angesprochen sei, während der ,,kleine Dschihad" eine kämpferische Auseinandersetzung mit Außenstehenden bedeute, der, wie der Kläger selbst zugesteht, auch der Begriff ,,Heiliger Krieg" beigelegt wird. Dass der Kläger indessen mit der streitgegenständlichen Passage seiner Predigt tatsachlich den ,,kleinen" Dschihad gemeint und die anwesenden Eltern zu einer Erziehung ihrer Kinder im Sinne eines militanten Einsatzes für den Islam, mithin zum ,,Heiligen Krieg" aufgerufen hat, folgt aus dem Kontext, in den dieses Zitat nach der unstreitig authentischen Übersetzung eingebettet ist.

Die entsprechende Passage beginnt zwar mit dem unverfänglichen Anliegen, dass die Kinder ,,zur Liebe zum Koran" und zu Tugenden der islamischen Gesellschaft erzogen werden sollen. Auch mögen die daran anschleifenden Forderungen, die Kinder vor dem ,,Gift der Fernsehkanale und des Internets" zu bewahren, diesen Idealen entsprechen, da mit den in diesem Zusammenhang erwähnten ,,Sex- und Kriminalfilmen" Beispiele der zu vermeidenden schlechten Einflüsse genannt werden und deshalb wohl davon auszugehen ist, dass nicht eine pauschale Verdammung der modernen westlichen Medien beabsichtigt war.

Jedenfalls aber bei der Forderung, die Kinder mit der Wirklichkeit vertraut zu machen, in der die Muslime leben, dass sie nämlich ,,Opfer sind von Mord, Unterdrückung, Quälerei und Vertreibung in vielen Teilen dieser Welt", wird deutlich, dass der anschließende Aufruf, sich um die körperliche Ertüchtigung der Kinder zu kümmern, sie im ,,Speerwerfen, Schwimmen und Reiten" zu unterrichten, damit sie „ stark sind für den Dschihad", darauf hinauslauft, sie auf den Kampf gegen Außenstehende vorzubereiten. Dafür sprechen auch das unbestritten am Ende der in dem Sendebeitrag übersetzten Predigt ,,klar" zum Ausdruck gebrachte ,,Ziel", die ,,Unterwerfung aller Menschen unter den Willen Allans" zu erreichen, und die aggressive Intonation der Predigt, welcher der Kläger ohne Erfolg eine neutrale Bedeutung beizulegen versucht.

Der in dem Beitrag vom 2. 10. 2003 zu Wort gekommene Islamwissenschaftler H, dessen Fachkunde von dem Kläger nicht wirksam in Zweifel gezogen worden ist, hat sich denn auch bei seiner Kommentierung der Streit gegenständlichen Predigtstelle sicher gezeigt, dass hier zum ,,bewaffneten Dschihad" aufgerufen werde. Dem steht die vorsichtigere Würdigung des Islamwissenschaftlers Dr. C in dem Zeitungsartikel vom 18. 2. 2004, der sich mit dem Arbeits-gerichtsverfahren des Kläger befasst, nicht entgegen.

Denn er attestiert immerhin eine ,,problematische Doppeldeutigkeit" und weist darauf hin, dass ,,im fundamentalistischen Diskurs" mit dem Begriff ,,Dschihad" viel ,,gespielt" und ,,bewusst nicht klargestellt" werde, was gemeint sei. Tatsächlich musste der Kläger bei der Predigt, auch wenn sie für einen internen Zuhörerkreis bestimmt war, Vorsicht Waken lassen, wie auch von Dr. C eingeräumt worden ist. Hierzu passt, dass die Erklärungsversuche des Kläger zu dem Aufruf zur sportlichen Unterweisung der Kinder widersprüchlich sind: während er erstinstanzlich die drei Sportarten als ,,sozial anerkannte körperliche Ertüchtigungen" verteidigt hat, die er nur exemplarisch genannt habe, hat er sich davon in der Berufungsbegründung zu distanzieren versucht, indem er nun vortragt, er habe ,,in keiner Weise" dazu anhalten wollen, die Kinder in diesen drei Sportarten zu unterrichten, diese „Sportarten des Mittelalters" seien nur beispielhaft von ihm genannt worden.

Abgesehen davon, dass diese Kennzeichnung jedenfalls für das Reiten und Schwimmen offensichtlich nicht zutreffen kann, hatten die Sportarten Reiten und Speerwerfen zurzeit des Propheten Mohammed, der nach der Überlieferung die Forderung nach einer Unterweisung der Kinder in diesen Sportarten erhoben haben soll, eindeutig auch militärischen Charakter. Es kommt schließlich hinzu, dass die von dem Sendebeitrag ebenfalls betroffene L-Akademie nicht nur dem Beitrag nicht entgegengetreten ist, sondern ausweislich des genannten Zeitungsberichts dem Kläger zumindest attestiert hat, dass seine Worte ,,im Zusammenhang mit Gestik und Mimik in der Öffentlichkeit geeignet waren, als Aufruf zum Heiligen Krieg verstanden zu werden" und ihm - wohl auf Druck der Bezirksregierung - die fristlose Kündigung ausgesprochen hat.

Die von dem Kläger selbst gefertigte Zusammenfassung der Predigt, in der Berufungsbegründung sogar als ,,Wortprotokoll" bezeichnet, ist nicht geeignet, der Predigt die von ihm gewünschte Interpretation angedeihen zu lassen. Bereits nach seiner eigenen Darstellung muss der Predigttext von dem vermeintlichen Konzept abgewichen sein, ist darin doch zum Beispiel von der Abstinenz gegenüber gewaltverherrlichenden Fernsehsendungen nicht die Rede. Soweit sich der Kläger auf diverse Zeugen zum Beweis dafür beruft, dass er an keiner Stelle der Predigt Begriffe wie ,,Ungläubige", ,,Westen" oder ,,Krieg" verwendet habe, kann dies als wahr unterstellt werden, da der seinem Inhalt nach unstreitig zutreffende Auszug der übersetzten Predigt, indem diese Begriffe tatsachlich nicht vorkommen, die Berichterstattung in dem Sendebeitrag vom 2. 10. 2003 aus den dargestellten Gründen rechtfertigt.

Auf den erstinstanzlich fruchtlos gebliebenen Einwand, er sei offenbar mit zwei anderen, anerkannt radikalen Predigern verwechselt worden, ist der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen. Sein Hinweis, die Bezirksregierung habe in einer Presseerklärung vom 16. 2. 2004 eingeräumt, nach ihrer Erkenntnis bestehe keine Sogwirkung der L-Akademie, lässt unerwähnt, dass es dort „ nicht mehr" heißt und dass nach den Erklärungen des Regierungspräsidenten die Akademie immerhin ,,weiter im Visier der Polizei" blieb.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass vorliegend im Übrigen auch der Grundsatz der Subsidiarität der Geldentschädigung zur Geltung käme. Wenn tatsachlich der Predigtinhalt verfälschend wiedergegeben worden wäre, hatte es nahe gelegen, dass der Kläger seine Rehabilitation mit einer Gegendarstellung versucht hatte. Auch eine Klage auf Unterlassung und/oder Widerruf wäre dann Erfolg versprechend gewesen.

Auf eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bildnis kann der Kläger die Klage nicht mit Erfolg stützen, da der Kläger im Hintergrund der ausgestrahlten Fernsehaufnahmen lediglich so klein erfasst ist, dass er durch keine persönlichen Merkmale individualisiert werden kann. Der Umstand, dass er anhand des Veranstaltungsorts und der datumsmäßigen Zuordnung seiner Predigt identifizierbar war und deshalb als Betroffener im Sinne äußerungsrechtlicher Maßstäbe in Betracht kam, ist nicht geeignet, einen Verletzungstatbestand i. S. von § 22 KUG zu begründen. Ob die Bildveröffentlichungen auch deshalb zulässig waren, weil der Kläger durch den Inhalt seiner Predigt zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden war, bedarf bei dieser Sachlage keiner Vertiefung.

Der an den Inhalt der Predigt - wie auch an die in dem Beitrag vom 2. 10. 2003 beschriebenen Zustande an der L-Akademie - anknüpfende Titel ,,Brutstatten der Gewalt" und die Kommentierung des Islamwissenschaftlers H, gemeint habe der Kläger mit dem ,,Dschihad" eine bewaffnete Ausdehnung des Islam, stellen ebenso wie der Titel der Sendung vom 23. 10. 2003 ,,Heiliger Krieg am Rhein" und die in dieser Sendung erfolgte Bezeichnung des Kläger als ,,Hassprediger" gem. Art. 5 IGG geschützte Meinungsäußerungen dar und sind deshalb ebenfalls nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch des Kläger gem. § 823 BGB, Art. 1 und 2 GG zu begründen. Die Bezeichnung des Kläger als ,,Hassprediger" bedeutet vor dem Hintergrund seines Aufrufs zum bewaffneten ,,Dschihad" insbesondere keine Schmähkritik.

Der Feststellungsantrag erweist sich ebenfalls als unbegründet, weil, wie dargelegt, über die Predigt des Kläger der Sache nach wahrheitsgemäß berichtet wurde und deshalb seine Kündigung durch die Akademie nicht in einem rechtswidrigen Zurechnungszusammenhang mit der Sendung steht.