So entwickelte sich die panorama-Geschichte "Islamismus in Deutschland"

König Fahd-Akademie im Rampenlicht

„Kann ich davon mal eine Ablichtung haben?“. Worte des Kölner Regierungspräsidenten Jürgen Roters, die prägnant Hilflosigkeit und Überforderung seitens der Bezirksregierung im Fall der Bonner König Fahd-Akademie (KFA) widerspiegeln. Dass Behörden versagt haben, beweist der Fall Jürgen Roters nur par excellence: Im Gesellschafter-Vertrag der als GmbH organisierten KFA steht noch 2004 – ein Jahr nach der angekündeten Änderung – die Islamische Gemeinschaft in Deutschland IGD im Falle einer Schließung als Begünstigter. Einigen Mitgliedern werden Verbindungen zu Terrorgruppen nachgesagt. Ein Ausschnitt von vielen, die panorama während der Recherchen zu der Beitragsreihe über die KFA erlebte: sie legten dem Regierungspräsidenten diesen Handelsregister-Auszug vor.

Acht Jahre konnte sich die KFA in Bonn im Glanz der Eröffnungsreden sonnen: den deutsch-arabischen und christlich-islamischen Dialog sollte sie fördern, ein Symbol zur Verständigung sein und Feindbilder abbauen. Die Wichtigkeit dieser Aussagen untermauerten deutsche und arabische Persönlichkeiten durch ihre Anwesenheit bei der Eröffnung der Schule mit angeschlossener Moschee im Jahr 1995. Es zeigten sich der damalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) und der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) in den Reihen, Kölner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und Prinz Abd al-Aziz ben Fahd. Die gewollte Gründung der Akademie in der damaligen Regierungshauptstadt schien ein gelungenes Exempel für den internationalen Standort Bonn.

Impuls durch Informanten – Anschub durch verdeckte Aufnahmen

Dass der eitel Sonnenschein trog, ergaben ein dreiviertel Jahr vor der Ausstrahlung des ersten panorama-Berichts im Oktober 2003 Hinweise aus dem Informantennetz um panorama. Unterschiedliche Personen, vor allem Fahnder informierten panorama in Hintergrundgesprächen, dass an der KFA islamistische Hetze betrieben werde und ein vermehrter Zuzug von Islamisten in das Umfeld der Akademie zu verzeichnen sei.

Auch wiesen Informanten auf die Unstimmigkeit hin, dass trotz sehr geringem Deutschunterricht Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft unterrichtet würden. Journalist Ahmet Senyurt: „Bis die Geschichte über die KFA entstand, habe ich schon ein dreiviertel Jahr vorher recherchiert. Ich habe von unterschiedlichen Personen Hinweise bekommen, dass es dort gärt. Dann habe ich angefangen, immer tiefer zu recherchieren. Ich bin rein in die Szene, hab mir bestimmte Sachen angehört, mit Leuten gesprochen, hab Literatur gelesen.“

panorama-Redakteur Thomas Berndt bezeichnet es als Zufall, auf das Brodeln in Bonn aufmerksam gemacht worden zu sein. Denn anfangs agierten die Behörden nach dem laissez-faire-Prinzip: Die Stadt Bonn erteilte großzügig Sondergenehmigungen für Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft zum Besuch der Auslandsschule. Islamistische Gefährder, so die Bezeichnung für vom Verfassungsschutz ins Visier genommene Personen, schickten ihre Kinder auf die KFA, um sie nach einer streng konservativen und reaktionären Lehre des Islams unterrichten zu lassen.

Dass acht Jahre zwischen der Eröffnung der KFA 1995 und dem ersten panorama-Beitrag 2003 verstrichen, führt Thomas Berndt auf eine erhöhte Sensibilität nach dem 11. September 2001 zurück: „Danach ist natürlich sehr viel stärker das Augenmerk darauf gelegt worden, was an der Schule überhaupt gemacht wird und was im Umfeld stattfindet. Auch die Sicherheitsbehörden sind sehr viel wachsamer geworden, als das vor dem 11. September der Fall war.“

Die Informationen der Kontaktpersonen waren für die Journalisten Thomas Berndt, Ahmet Senyurt und Volker Steinhoff der Impuls, den Sachverhalt anzugehen. Der Auslöser, die Geschichte zu veröffentlichen, gaben Aufnahmen mit einer versteckten Kamera in der schuleigenen Moschee. Sie untermauerten die Hinweise der Informanten.

Dabei ging es nicht darum, den schnellen Coup zu landen. Thomas Berndt berichtete, bereits mehrfach eine versteckte Kamera für andere Themen eingesetzt zu haben. Und Ahmet Senyurt bekräftigt, dass er als freier Journalist bei Recherchen Rückendeckung von panorama bekomme, auch auf die Gefahr hin, dass sich anfängliche Vermutungen und Thesen nicht bestätigen sollten und Geschichten nicht zustande kämen. Doch im Fall der KFA war dies anders.

Die Koranschule und die saudi-arabische Botschaft, die Schulträger ist, hatten alle Interviewanfragen und eine offizielle Drehgenehmigung in der Akademie abgelehnt. panorama beauftragte einen freien Mitarbeiter arabischer Abstammung als Undercover-Rechercheur. „Das war nicht irgendjemand“, so Thomas Berndt, „das war jemand, den wir schon lange kennen und mit dem wir schon öfter zusammengearbeitet haben. Jemand der sehr zuverlässig und sehr vorsichtig ist. Das ist für uns auch wichtig, weil wir niemanden gefährden wollen, der für uns einen solchen Job macht.“ Sein Auftrag: verdeckte Aufnahmen in der KFA zu machen. Das dabei gewonnene Filmmaterial brachte die Geschichte dann ins Rollen- jetzt war dokumentiert, womit das panorama-Team nicht wirklich gerechnet hatte: eine Hasspredigt.

„Man muss dazu schon ehrlich sagen, wir hätten diese Aufnahmen nicht durch eine offizielle Drehgenehmigung bekommen.“ Eine offizielle Erlaubnis sei wie eine zwei Wochen vorher angekündigte Hausdurchsuchung“, merkt Thomas Berndt an. Beweiskräftigtes Material gäbe es danach nicht mehr.

Vor Ausstrahlung des Materials legte panorama den Text der Hasspredigt mehreren unabhängigen Islamwissenschaftlern vor, die ihn analysierten. Auch die Schule, der Schulleiter wie auch die saudi-arabische Botschaft in Berlin wurden zu Stellungsnahmen aufgefordert. Ergebnis: keine Reaktion.

Viele kleine Schritte, die am Ende ein Gesamtbild entwarfen

Allein mit dem Rechercheinstrument versteckte Kamera war die Arbeit nicht getan: ein Informant spielte panorama den Stundenplan der KFA zu, ein anderer einen Aufsatz eines Schulkindes, das ein Internat des Vereins der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) regelmäßig besuchte, das Team führte Interviews mit Behörden und Hintergrundgespräche mit Personen aus Sicherheitskreisen, nahm Einsicht ins Handelsregister. Der vierte Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“ entstand, als panorama Hinweise auf ein Gutachten der Bonner Polizei bekam, das sich mit dem Umfeld der KFA befasste. „Das konnten wir uns besorgen“, so Thomas Berndt, „Was da drinstand, hat uns motiviert, die Geschichte noch einmal anzugehen.“ Die Recherchemittel und –wege waren also vielfältig.

Die Reaktionen bereits auf den ersten Beitrag: Anfeindungen von Seiten der KFA, eine Mail aus dem Unterstützerkreis der Akademie, die im Schneeballsystem verschickt das Postfach des panorama-Redakteurs Berndt zusammenbrechen ließ sowie ein großes Presseecho.

Weitreichende Folgen hatte der Bericht für den gezeigten Hassprediger, den die Schule auf Drängen der Bezirksregierung entlassen musste. Er verklagte panorama auf Schadensersatz wegen Verlust seiner Anstellung: ohne Erfolg.

Eine weiteres Resultat des ersten Beitrags „Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koranschulen“: die Bezirksregierung Köln zog die Schulbücher der KFA ein, um sie zu analysieren. Eine Analyse mit schockierendem Ergebnis, doch konsequenzlos. Stattdessen bedrängte das Auswärtige Amt in Bonn den Regierungspräsidenten Roters persönlich, aus außenpolitischen Gründen die Schule nicht zu schließen und um die Lage deutscher Schulen im arabischen Raum nicht zu gefährden. Roters gab dem Druck nach und sprach statt von Schließung plötzlich von „Zweiter Chance“.

Vier Beiträge innerhalb zwei Jahren, die Augen von Ahmet Senyurt und Thomas Berndt blieben seit den Recherchen zu dem ersten Beitrag "Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koran-Schulen" wachsam. Wichtig sei, bemerkt Thomas Berndt „dass man solche Geschichten weiterverfolgt, dass man schaut, was sich tut und sich verändert, auch dass man Politiker überprüft, die damals gesagt haben: „Wir werden das ändern, das wird sich nicht wiederholen“. Und dann weiterberichtet. (...) Dass das bei der KFA bis jetzt viermal sein musste, zeigt, wie schlampig und inkompetent die Behörden in Nordrhein-Westfalen mit diesem Problem umgehen.“

Informanten und Quellen – Pflege, Schutz und Verifikation

Keine These von Informanten ohne Verifizierung, keine Quellennutzung ohne Nachrecherche. panorama`s Credo für jeden Bericht ist das „Zwei Quellen-Prinzip“: Jede Information muss sich durch (mindestens) zwei unabhängige, d.h. zwei verschiedene Quellen, belegen lassen.

Beispiel: das Impuls gebende Gutachten der Bonner Polizei, das sich panorama für den vierten Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“ besorgen konnte, ließ sich das Team vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bestätigen. Erst danach war für panorama das Material wirklich authentisch.

Kein Beitrag ohne Kontakte. panorama konnte für die Filme auf ein über Jahre hinweg auf- und ausgebautes Informantennetz greifen. Personen, welche Ahmet Senyurt und Thomas Berndt etwa durch vorherige Geschichten, bei Veranstaltungen von der Gewerkschaft der Polizei, wie Fachtagungen oder bei Journalistenseminare kennenlernten. Rückblick: Ein Impuls aus diesen Kreisen brachte die Geschichte erst ins Rollen.

Informanten würden panorama vertrauen, sagt Thomas Berndt, da sauber recherchiert werde und man sich an Verabredungen halten würde. Kontakte zu Informanten pflege panorama auch noch nach veröffentlichten Berichten, etwa um Reaktionen aufzufangen. Der persönliche Schutz und Informantenschutz habe stets Priorität, so Thomas Berndt: „Man muss schon etwas aufpassen, nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Leute, die für uns vor die Kamera treten.“

Wie im Fall Harun Aydin. Der ehemaliger Schüler eines Internats des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), sprach im ersten Bericht „Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koranschulen“ offen über die dort herrschende Indoktrinierung. Ahmet Senyurt kannte den Aussteiger aus dem VIKZ durch sein breites Informantennetz zu seinem journalistischen Schwerpunkt Migration und Integration. Da Ahmet Senyurt selbst Ausländer ist, waren keine Berührungsängste vorhanden. Ganz im Gegenteil: laut Thomas Berndt musste der junge Mann eher gebremst werden, da ihm die Brisanz seiner Aussagen und die damit verbundenen Folgen nicht bewusst schienen. Zwar war er des öfteren schon in Nordrhein-Westfalen bei kleineren Podiumsdiskussionen aufgetreten, doch panorama erreicht ein weitaus größeres Publikum.

Eine Offenheit, die glücklicherweise gut ausging: Harun Aydin und seine Familie wurde massiv vom VIKZ bedrängt, Auftritte in der Öffentlichkeit und derartige Äußerungen zu unterlassen. Aus Sicherheitsgründen ging der Aussteiger nach dem Beitrag für drei Wochen ins Ausland, mittlerweile lebt er in einer anderen Stadt. Er sei wohlauf, so Thomas Berndt. „Natürlich wollen wir solche Leute nicht gefährden. Man muss diese Menschen auch manchmal vor sich selbst schützen. Aber er wollte es unbedingt. Er hat ein persönliches Anliegen, weil er sich um seine Kindheit und Jugend betrogen fühlt.“

Die einen offen, die anderen verschlossen:
Weder die KFA und noch der Schulträger, die saudi-arabische Botschaft in Berlin waren nach einem der vier panorama-Beiträge und auch auf Nachfragen zu Stellungnahmen bereit.

Durch die Bekanntheit von panorama würden es sich dagegen Behörden zweimal überlegen, sich nicht zu einem Thema zu äußern, meint panorama-Redakteur Berndt. Obgleich sie wüssten, dass es sich nicht um Gefälligkeitsinterviews handle. Sie waren neben Informanten aus Kontaktnetzen Ansprechpartner Nummer eins. Etwa die Bezirksregierung Köln, Schulaufsicht der KFA, mit ihrem Regierungspräsidenten Jürgen Roters. Interviewanfragen liefen stets über Pressestellen mit offizieller Fax-Bestätigung hinterher. Interviewpartner bekamen vorab keine Fragen vorgelegt, doch panorama skizzierte die Themengebiete. Trotz allem stand der ein oder andere blauäugig oder unvorbereitet Rede und Antwort. Etwa Jürgen Roters nach Vorlage des Handelsregisterauszuges.

Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland IGD war auch noch 2004 nach der angekündigten Änderung Begünstigter im Gesellschafter-Vertrag der König Fahd-Akademie. Nach dem vierten panorama-Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“, mit dem verhängnisvollen Satz des Regierungspräsidenten „Kann ich davon mal eine Ablichtung haben?“ beschwerte sich die Bezirksregierung. Thomas Berndt meint schlichtweg dazu: „Aus journalistischer Sicht ist es geradezu ein Gottesgeschenk. Wie kann man die Hilflosigkeit, die Ahnungslosigkeit, seine eigene Ahnungslosigkeit, besser dokumentieren als durch einen Nachsatz wie „Darf ich mir das mal kopieren?“

König Fahd-Akademie die fünfte

Vier Berichte von panorama - die KFA ist nach wie vor geöffnet.

Die Bezirksregierung Köln als Schulaufsichtsbehörde setzt auf ihre zweite Chance-Strategie. Die taz wies am 11. März 2005 in einer Kurzmeldung „Bonn als Islamistentreff“ darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden Bonn nach wie vor mit der ins Zwielicht geratenen KFA als einen Standort für verdächtige Islamisten sehen würden. Dagegen titelte der Bonner General-Anzeiger in seinem am 01. Juni 2005 online erschienenen Bericht positiv: „Die Fahd Akademie will sich öffnen“. Das Thema scheint nicht ausgereizt. Auch aus panorama-Kreisen ist hinter vorgehaltener Hand von einem angedachten fünften Beitrag zu hören.