Worüber Michael BEKETOV nicht mehr schreiben konnte

Der folgende Artikel wurde von Michael BEKETOV recherchiert und zusammengestellt. Zu Ende führen und veröffentlichen konnte er ihn allerdings nicht mehr. Die übernahm die Journalistin und Redakteurin Elena KOSTYNCHENKO, die ihn in der Novaya Gazeta am 11. Dezember, vier Wochen nach dem Anschlag, öffentlich machte.

Sie selbst stellte dem Artikel das folgende Vorwort voran:

"Letzten Montag begann die Wahlkampange in Chimki. Am selben Tag wurden die zertrümmerten Finger der linken Hand von Michael Beketov amputiert. An der rechten Hand werden wahrscheinlich ähnliche Amputationen nötig sein. Das, worüber Michael vor dem Anschlag auf ihn recherchierte, interessiert momentan niemanden. Es ist sogar ungewiss, wann er anfängt wieder selbständig zu atmen. Denn er schwebt immer noch in Lebensgefahr in der Sklifasofski Klinik. Seine Verwandten, Freunde und Kollegen erzählten uns woran der Journalist vor diesem grausamen Attentat arbeitete. Um seine Arbeit zu Ende zu bringen, recherchierten wir selbstständig rund um den Bezirk Chimki. Dabei stießen wir auf einen Namen."


Ragin

Dieser Name wird von den Chimki Bewohnern, Polizisten und sogar Kriminellen nur sehr leise ausgesprochen, so dass keiner ihn richtig verstehen kann. Der Name lautet Ragin – Es ist der Geburtsname der Frau von Vladimir Vladimirovitsch Streltschenko, dem Leiter der Bezirksregierung in Chimki. Galina Ragin ist in einer Großfamilie aufgewachsen. Dies hat sich nun auf das Gewerbe von Chimki ausgewirkt.

Der Bruder

Der Bruder von Galina, Edward Ragin, ist erst 27 Jahre jung. Doch auf seine Erfolge in diesem Alter können sogar erfahrene Geschäftsmänner neidisch sein.

Vladimir Streltschenko

Er wird Ende 2003 Leiter der Bezirksregierung . 2004 gründet sein Schwager, Edward, zwei Unternehmen „OOO KchimEnergoSbit“ und „OAO KchimEnergoVodoSbit“. Die beiden Firmen avancieren schnell zu Monopolisten im Bezirk Chimki. Im Februar 2007 wird dem föderativen Kriminalamt gemeldet, dass beide Unternehmen keine Lizenzen haben. Während der Untersuchung werden Ragins Gewinne, veröffentlicht. Es sind 2.311.781,34 Rubel.

Die für die Untersuchung des Kriminalamts benötigten Unterlagen kann die Polizei jedoch nicht sicherstellen. Wie die Kriminalsten mitteilten, wird Ragin von dem Stellvertreter des Bezirksleiters Walov gedeckt. Die Polizisten geben die vorhandenen Unterlagen an die Bezirksanwaltschaft weiter. Diese findet jedoch angeblich keine Anzeichen einer Straftat. Es gebe nämlich in dem russischen Strafgesetztbuch keine Strafen für Vetternwirtschaft. Ob die Lizenen vorhanden sind oder nicht sei aber zweitrangig.

Beide Firmen sind nur ein kleiner Teil des Business von Edward Ragin. Dem Schwager des Bezirksleiters gehören ebenfalls die Unternehmen „OOO Edelweiss“ (Dienstleister für Friseur- und Schöheitssalone) und „OOO SMI-Telekom“ (Verlegung von Rohren, elektrischen und Telefonleitungen). Auch ein ehemaliges, khimkisches Werk für Fliesenherstellung wurde in „OOO Stroikompleks+“ umbenannt und dem Schwager des Leiters der Bezirksregierung übergeben.

Die Schwestern

Auch die Schwestern von Galina sind gut untergebracht. Oksana Ragin besitzt und leitet eine Werbeagentur („OOO MediaArt ADV“), einen Autoreparaturwerkstatt („OOO Alfaservis“) und eine Zahnklinik („OOO Sozalanaja Stomotologija“). Ferner besitzt Oksana die Firma „Tennis+“ und den Supermarket „1000 Kleinigkeiten“.

Die zweite Schwester von Galina, Olga Ragin, ist Beamtin und arbeitet in der Abteilung für Landbewirtschaftung und Umweltschutz der Bezirksregierung. Sie ist Gesellschafterin der Firma „Avers“, dessen Geschäftsbereich die Buchhaltung ist. Der weitere Gesellschafter ist der Mann von Oksanal, Alexander Verschinin, ein ehemaliger FSB Mitarbeiter. Zusammen mit Edward Ragin hat er die Firmen „OOO Ankol“ und „OOO AuditFinance Group“ , die sich mit Immobilienhandel beschäftigen, mit gegründet.

In den Finanzgeschäften der Familie Ragin und ihrer Freunde helfen die Stellvertreter des Bezirksleiters Streltschenko, Saporoschetz und Walov gerne aus.

Nikolai Ivanov, Jurij Kasatschenok, Leonid Barischpol und Alexander Rudakov – sie alle sind gute Bekannte der Familie Ragin und mittlerweile ins Blickfeld der Kriminalpolzei geraten.
Gegen Nikolai Ivanov ermittelt die Staatsanwaltschaft. Es geht um den Bankrott und anschließenden Verkauf des Gebäudes des Instituts für Nachrichten- und Gerätetechnik. Geschätzter Verlustwert für den Bezirk: etwa 10 Millionen Dollar.

Jurij Kasatschenok war Leiter des Amtes für Eigentumsverwaltung. Gegen ihn begann Ende April 2007 die Ermittlung nach Paragraph 159 des Strafgesetzbuches. Kasatschenok verlangte damals von einem Unternehmer 250.000 Rubel für Mietverlängerung.

Leonid Barischpol, Stellvertreter des Direktors von „MUP Kombinat für Verschönerung und Begrünung“ und Alexander Rudakov, Wirtschaftsberater des Bezirksleiters, haben nach den Angaben der Polizei sich ebenfalls der Erpressung schuldig gemacht. Sichergestellte Audio- und Videoaufnahmen beweisen die Erpressungsversuche von Rudakov. Barischpol wurde zufällig erwischt. Am 28. Juli 2005 nahm die Bezirksanwaltschaft von Chimki deswegen Ermittlungen auf. Diese wurden allerdings mehrere Male unterbrochen. Ob an diesen Fällen momentan wieder gearbeitet wird, ist ungewiss.

Zwar hält sich die Berichterstattung rund um Chimki in Grenzen, doch der Konflikt zwischen dem schwedischen Möbelhaus „IKEA“ und der Bezirksregierung von Chimki lies sich nicht in den Medien totschweigen. Der im Dezember 2004 gebaute „IKEA“-Markt stand die ersten 2 Monate geschlossen, weil die Bezirksregierung von dem schwedischen Unternehmen plötzlich 1 Million Euro für den Bau von Fußgängerwegen verlangte. „Das ist Schmiergeld-Erpressung“, sagte Leiter der russischen „IKEA“-Niederlassung Lennard Daalgren damals der schwedischen Zeitung „Dagens Industri“– „ich fürchte um mein Leben“. Am Ende gaben die Schweden nach und zahlten das Geld an „MU Kchimdor“, ein von einem Bekannten des Bezirksleiters geleiteten Unternehmen. Der Bericht über einen Fußgängerweg-Bau wurde nie vorgelegt. Als „IKEA“ ein Hotel in der Nähe bauen wollte, gab es die gleichen Probleme. Nach unseren Informationen, wurde erneut Geld auf das Konto auf das Konto von „MU Kchimdor“ überwiesen, dieses Mal 3,5 Millionen Euro.

Die Ärzte wissen nicht, wann Michael sein erstes Wort sprechen wird. Aus Angst vor Komplikationen machen sie lieber gar keine Prognosen. Es ist jedoch sicher, dass Michael noch lange nicht zur seiner Arbeit zurückkehren kann.

Wir möchten nicht behaupten, dass dieser nicht geschriebene Artikel der Grund für das Attentat auf Beketov war. Jedoch erinnern sich die Mitarbeiter der Bezirksanwaltschaft, dass Beketov mehrere Jahre einen aktiven Kampf gegen die Vetternwirtschaft in Chimki führte. Die Anfragen und Enthüllungen Beketovs liegen immernochin der Bezirksanwaltschaft. Deshalb bitten wir die Bezirksanwaltschaft, die die Ermittlungen im Fall Beketov leitet, seinen Fall genau zu überprüfen.