Eine kurze Chronologie des "Team Telekom"



1992

Jef D’HONT kommt als Pfleger zum Team Telekom. Er bringt einschlägiges Know-how und Erfahrungen mit. Bis 1964 war er selbst aktiver Radrennfahrer. Seit 1964 arbeitet er als professioneller „Pfleger“. Einer seiner Fahrer war unter anderem der neue sportliche Leiter des Team Telekom: Walter GODEFROOT


1994

Das bis dahin noch unbekannte Dopingmittel „Epo“ kommt zum ersten Mal vereinzelt im Profi-Radsport zum Einsatz. Epo ist die Abkürzung für Erythropoetin, und steigert das Wachstum der roten Blutkörperchen, damit mehr Sauerstoff produziert wird und dadurch mehr Leistung, vor allem Ausdauer im menschlichen Körper entstehen kann


83. Tour de France 1996 29.06.-21.07.1996

Epo wird in breiten Maßen von den Tour de France - Fahrern angewendet. 
Bjarne RIIS, inzwischen beim Team-Telekom, gewinnt die Tour de France. Als RIIS die Tour gewann, so wird Willy VOET, einer der Physiotherapeuten des Festina-Teams gegenüber dem SPIEGEL, allerdings erst 3 Jahre später - 1999 - berichten, "da hat er unsere Fahrer am Berg einfach stehengelassen. Und die waren schon mit einem Hämatokritwert von 54 unterwegs" (vgl. 16.04.1999)


1997

Ralf MEUTGENS ist für das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL als Informationsbeschaffer, unter anderem zu den Themen Sport und Doping tätig und verdient sich seine ersten Sporen als Journalist. Bis 1988 hatte er sich als Trainer und Trainerausbilder in dem Radsportverband NRW engagiert. 
Jörg PAFFRATH, ein Kölner Radprofi, der ebenfalls dem Radsportverband NRW entstammt, kommt mit MEUTGENS in Kontakt. Er bekennt sich als erster im SPIEGEL zu seiner Dopingvergangenheit und schildert die Systematik: „Wie ein Hund an der Kette“. (Ausgabe 25 v. 16.6.1997). Autor des Artikels ist der SPIEGEL -Redakteur Udo LUDWIG. PAFFRATH lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht als Einziger im Profi-Radsport von Doping betroffen ist. Ein solches Outing ist sowohl für die Medien, als auch für den Radsport Neuland. 
Die Nachmittagsendung des ZDF Schattenspringer wird auf PAFFRATH aufmerksam. Man lädt ihn ein, über seine Motivation zu sprechen, sich derart zu outen. Die Radsportfunktionäre sagen später dazu: „die Qualität von PAFFRATHs Geständnis habe man auch daran ablesen können, dass er es nur ins Kinderprogramm geschafft habe.“ 
Auch SPIEGEL-TV ist an PAFFRATH interessiert und beginnt mit der Produktion eines Beitrags. Man dreht mit ihm zwei Tage lang in einem Internat, in der Nähe von Bad Hersfeld. Vorher hatte man in Italien mit dem Doping-Aufklärer Alessandro DONATI gedreht. Nach dem Dreh mit PAFFRATH fährt das SPIEGEL-TV -Drehteam von Bad Hersfeld weiter zur laufenden Tour de France (TdF). Nichts von dem Beitrag wird in dem Jahr bei SPIEGEL-TV gesendet


84. Tour de France: 27.07.1997

Jan ULLRICH gewinnt die 84. Tour de France. 
Es wird bekannt, dass alle wichtigen deutschen ‚Medienoberhäupter’ von Stern über Focus bis zum SPIEGEL auf Kosten der Telekom zur Siegerehrung nach Paris eingeladen wurden. 
Die ARD macht nach dem Sieg von ULLRICH einige Sondersendungen mit ihm, die nach der Tagesschau ausgestrahlt werden. 
Danach zeigt sich ULLRICH einige Zeit lang nur auf so genannten Kirmesrennen. Diese Rennen werden nicht von dem Radsport-Weltverband UCI gewertet und unterliegen auch keiner Dopingkontrolle. 
Einige Zeit später fährt ULLRICH beim „Luk-Cup“, einer UCI-Veranstaltung (Union Cycliste Internationale), also des internationalen Radsportverbands, im badischen Bühl mit. Dadurch, dass diese vom UCI gewertet werden, unterliegen sie generell einer Dopingkontrolle. Er zieht es vor, nicht in dem vom Team Telekom gebuchten Hotel zu übernachten, sondern nimmt sich sein Zimmer kurzfristig woanders. 
Nach einem Auftritt in Aachen wird ULLRICHs Blut prophylaktisch getestet. Sein Hämatokritwert liegt weit über der zulässigen Grenze von 50. Walter GODEFROOT, Sportlicher Leiter des Team-Telekom, erfährt die Nachricht, die da heißt: „Jans Werte spielen verrückt“ abends in der Bühler Mannschaftsunterkunft und verkündet der Presse, dass Jan ULLRICH in Aachen durch Autogrammwünsche aufgehalten worden sei und erst am Morgen anreisen könne. Tatsächlich verbrachte der Radsportler die Nacht in einer stillen Herberge – unweit von Bühl. Er war deshalb für mögliche UCI-Kontrollen im Teamhotel nicht zu greifen. 
Jürgen KINDERVATER, der Kommunikationschef des Telekom-Chefs Ron SOMMER begründet die Übernachtung von Jan ULLRICH an einem anderen Ort mit dem „Wunsch, den Abend im privaten Freundeskreis zu verbringen. Darüber hinaus trifft es nicht zu, daß sie durch einen Hotelwechsel einer Dopingkontrolle entgehen können.“


Drei Tage vor Beginn der TdF 1998

Der Masseur der spanisch-französischen Festina-Mannschaft, Willy VOET, wird in Nordfrankreich im Firmenwagen mit Unmengen von Dopingmitteln erwischt und verhaftet. 
Das Team-Telekom trifft Sicherheitsvorkehrungen: der zweite 
Stellvertreter der Teamleitung, Frans VAN LOOY, wird nach Frankreich mit der Aufgabe geschickt, ein neutrales Fahrzeug für die drei Wochen anzumieten. Als er bei Rent-a-car in seiner Teambekleidung vorspricht, wundert sich die Angestellte: „Mensch, müssen die offiziellen Autos der Rennställe in diesem Jahr aber schlecht sein. Sie sind jetzt schon der zehnte, der einen Wagen von uns will“ , wird 2007 DER SPIEGEL , also in 9 Jahren (erst) berichten (können)


TdF 1998 11. Juli bis 2. August 1998

Durch den Fund beim Festina-Masseur VOET bricht Chaos aus. Die Teams besprechen offensichtlich untereinander, was die jeweils andern denn nun machen würden. Team-Polti versteckt die Epo-Ampullen in einem Staubsauger mit doppeltem Boden. Das Festina-Team wird ausgeschlossen. ULLRICH bricht am Berg ein. 
Während der Pyrenäen-Etappe der TdF beginnt die französische Justiz die Mannschaftshotels nach Dopingmitteln zu durchsuchen. Die Telekomführung ordnet an, sämtliche verbotene Medikamente wegzuwerfen. Diese Aufgabe übernimmt GODEFROOTs Vertreter, Rudy PEVENAGE. Er schüttet den Vorrat in den Müllcontainer des Hotels. Als allen auffällt, dass dies keine gute Idee ist, die Präparate dort entsorgt zu haben, versucht PEVENAGE den Abfall aus dem Container wieder zu entfernen. Dabei wird er aber von Journalisten ertappt. 
Seine Begründung gegenüber L`Equipe : Man habe gehört, dass andere Teams ihre illegalen Präparate auch auf fremdem Terrain entsorgten, und daher habe er mal nachsehen wollen, ob der Kehricht hier auch sauber sei. 
Diese Begründung stimmt aber mit der Erklärung von Jürgen KINDERVATER, Kommunikationschef der Telekom AG, nicht überein. Der erklärt vielmehr: „Bei der Anordnung von Herrn Godefroot ging es um eine völlig unspektakuläre allgemeine Entsorgung von Medikamenten. Es gab aber keine Medikamente, die etwa unter Dopinggesichtspunkten nicht zugelassen gewesen wären. Der Grund war vielmehr, daß die französische Polizei Schwierigkeiten mit der Einordnung von ausländischen Medikamenten hatte“ 
Aus Protest gegen die ‚menschenunwürdige Behandlung’ seitens der französischen Behörden, die beim Thema Doping konsequent und hart bleiben, boykottieren viele Fahrer die Weiterfahrt und ‚streiken’. Letztlich werden von 189 Fahrern nur noch 96 das Ziel in Paris erreichen. 
Dies wird später als „Festina-Skandal“ in die Annalen eingehen. 
JAKSCHE erhält einen Vertrag beim Team Telekom und wechselt damit von Polti zu dem deutschen Rennstall


02.08.1998

Mit dem „Festina-Skandal“ offenbart sich zum ersten Mal das systematische Ausmaß von Doping bei der TdF. 
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen strahlt zum Thema eine Sendung „Christiansen – Der Sport im Dopingsumpf“ aus. 
Jetzt wacht auch das TV-Magazin Monitor (WDR) auf und wird in diesem Jahr erstmals zu diesem Thema berichten. 
SPIEGEL-TV sendet in seiner Berichterstattung einige kurze Sequenzen von dem Material, das ein Jahr vorher mit PAFFRATH gedreht wurde


Mitte 1998

Dieter QUARZ, 32, ein Diplom-Trainer für Radsport und diplomierter Chemiker aus Düsseldorf, engagiert sich seit langen im Kampf gegen Doping. Er hat sein Wissen als Pfleger in verschiedenen Rad-Teams erworben. Auch über Dopingmachenschaften. Er stellt sein auf jahrelanger Arbeit fundiertes Fachwissen und seine Verbindungen dem Fernsehmagazin Monitor zur Verfügung. 
Durch diese Sendung wird Prof. Werner FRANKE, Professor für Zell- und Molekularbiologie, beim Deutschen Krebsforschungs-Zentrum (DKfZ) in Heidelberg auf QUARZ aufmerksam. FRANKE gilt als der größte Kritiker des Dopings und gilt auch international als absoluter Experte auf diesem Fachgebiet. 
FRANKE jedenfalls vermutet Insiderwissen und nimmt Kontakt zu QUARZ auf. Er bittet ihn, nach Heidelberg zu kommen: Zu einem „vertraulichen Vier-Augen-Gespräch“. Er ködert ihn mit der Aussage, er wolle ihn aus dem Sumpf des Radsports herausholen und seine berufliche Existenz sichern


August 1998

QUARZ fährt tatsächlich nach Heidelberg. Doch aus dem vermeintlichen Gespräch unter vier Augen wird nichts, denn neben FRANKE sind bei dem Treffen Udo LUDWIG anwesend – ein SPIEGEL -Redakteur und Professor Gerhard TREUTLEIN von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. 
DER SPIEGEL will das Material von QUARZ über Doping im Radsport erhalten. Dadurch soll QUARZ zum Informanten werden. DER SPIEGEL will das Team Telekom belasten. Von „gesicherter Existenz“ für QUARZ aber keine Spur. Als Belohnung will DER SPIEGEL stattdessen eine großzügige Spende an das deutsche Zentrum für Krebsforschung leisten (Umwegfinanzierung). 
QUARZ versteht nicht, was genau ihm dieser Handel einbringen soll und verlässt das Treffen. LUDWIG konnte sich zuvor noch einiges von dem Material von QUARTZ ansehen. Die Informationen und Daten lassen sich aber nicht eindeutig einem Team zuordnen. Auch nicht dem Team Telekom. 
SPIEGEL -Redakteur Udo LUDWIG wird später einräumen, dass dies ein normaler Versuch gewesen wäre, einen Informanten „einzukaufen“. Der Informant QUARZ hatte zwar abgelehnt, trotzdem wird ein Teil des Materials von QUARTZ - Medikationspläne von Radfahrern – später in einem groß aufgemachten SPIEGEL -Bericht erscheinen: „Die Werte spielen verrückt“ (vgl. 12.6.1999). Ein Insider kann dabei in dem vom SPIEGEL aufbereiteten Diagramm seine eigenen Hämatokrit-Werte erkennen, von denen nur QUARZ wissen konnte


07.06.1999

FRANKE setzt eine Anzeige gegen QUARZ auf. Vorwurf: QUARZ habe gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen sowie mit Dopingmitteln gehandelt


08.06.1999

Von dieser Anzeige kann QUARZ noch nichts wissen. Deshalb kommt es zu einem zweiten Treffen zwischen LUDWIG und GEYER sowie QUARTZ in Düsseldorf. Dieses Mal geht es den SPIEGEL Redakteuren angeblich nur um „die wissenschaftliche Absicherung zu einem Artikel über Doping im Radsport“ so die Redakteure. QUARZ gibt den Redakteuren Material über dieses Thema mit. Darin sind nur Fallbeispiele genannt, aber keinerlei konkrete Zuordnung zu einzelnen Fahrern oder Teams. Kurz darauf bekommt QUARZ den Artikel zugesendet – zum checken. In dem Artikel sind falsche Bildunterschriften, die die Telekom-Fahrer belasten (Medikationsplan). QUARZ fordert sofort Änderung an dem Artikel. Das ignoriert DER SPIEGEL


14.06.1999

DER SPIEGEL kommt mit seiner großen Enthüllungsgeschichte heraus „Die Werte spielen verrückt“ (Ausgabe 24/99). Unter anderem geht es um das deutsche Radfahridol.


Juni 1999

Der SPIEGEL -Bericht löst Besorgnis im Team-Telekom aus. JAKSCHE wird später in einem Interview mit dem SPIEGEL ( „Bellas Blut“ v. 02.07.07, Ausgabe 27/2007) sagen, er sei zu der Zeit, um die sich die Dopingvorwürfe drehen, ja noch nicht im Team gewesen (sondern noch im Team Polti von 1997-1998), aber nach dem, was er so mitbekam, stimmten die Geschichten im SPIEGEL 
Jan ULLRICH setzt sofort eine Gegendarstellung gegen den SPIEGEL -Bericht durch. Das Team-Telekom erwirkt eine Einstweilige Verfügung, nach der DER SPIEGEL mehrere Behauptungen nicht mehr aufrecht erhalten darf


Nach 14.06.1999

DER SPIEGEL setzt nach: für die nächste Ausgabe des Magazins kündigen die Agenturen die Fortführung der Berichterstattung über Doping im Team-Telekom an. Unter anderem ein Interview mit QUARZ. Dieses soll allerdings, so der FAZ -Redakteur Ralf MEUTGENS später, unter äußerst dubiosen Umständen zustande gekommen sein: die SPIEGEL -Redakteure hatten beim zweiten Treffen auf die schnelle einen Text geschrieben, der vorrangig das Thema Doping im Team-Telekom behandelt. Damit gilt QUARZ als Zeuge der Anklage oder Mitwisser dunkler Machenschaften


15.06.1999

Kriminalbeamte brechen auf Anweisung der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Privatwohnung von QUARZ auf und beschlagnahmen Aufzeichnungen, PC und Notebook zur Beweissicherung. Auslöser ist die Anzeige von Prof. FRANKE


17.06.1999 / 3. Stunden vor QUARZs erster Vernehmung

QUARZ erhält unerwartet Besuch: SPIEGEL -Redakteur Udo LUDWIG taucht zusammen mit dem Justiziar des SPIEGEL s auf. Beide sichern ihm volle juristische Unterstützung zu, wollen aber, dass er eine eidesstattliche Erklärung abgibt, die eine Reihe von kritischen Passagen aus dem Artikel absichern soll. Außerdem soll QUARZ darin das Team Telekom belasten und unter anderem erklären, in einer spanischen Apotheke selbst Doping-Mittel gekauft zu haben. Gleichzeitig bietet DER SPIEGEL dem QUARZ juristische Hilfe an, doch dieser lehnt ab und nimmt sich einen eigenen Anwalt


einige Tage später

Ein zweiter Versuch seitens des SPIEGEL s, eine etwas entschärfte Version jener eidesstattlichen Erklärung unterschrieben zu bekommen, scheitert. Daraufhin bekommt QUARZ sein aufbereitetes Interview zugefaxt, das Udo LUDWIG und Matthias GEYER aus ihrem Besuch bei ihm zusammengestellt hatten. QUARZ bekennt sich darin quasi als Doping-Helfer und Kronzeuge gegen das Team Telekom. QUARZ verweigert die Freigabe des Interviews. 
DER SPIEGEL wendet sich an den Anwalt von QUARZ und bittet um Schützenhilfe gegen die Telekom


14.07.1999

QUARZ und sein Anwalt fliegen nach Hamburg. In dem SPIEGEL -Hochhaus in der 11. Etage treffen sich beide mit dem Chefredakteur Stefan AUST, den Rechercheuren LUDWIG und GEYER, dem Sportresort-Chef Alfred WEINZIERL und dem Verlagsjustitiar. Während einer zweistündigen Diskussion und Sichtung des Materials wird AUST klar, dass die Geschichte des SPIEGEL s nicht so wasserdicht ist, wie er gegenüber seinen Freunden Ron SOMMER und Jürgen KINDERVATER behauptet hat


17.08.1999

Die Staatsanwaltschaft teilt dem Anwalt von QUARZ mit, das Verfahren wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz sei eingestellt


Nach dem 17.08.1999

QUARZ lehnt ein fünfstelliges Geldangebot eines anderen Mediums ab. QUARZ will öffentlich keine konkreten Schlussfolgerungen aus seinen Unterlagen ziehen. 
FRANKE hält sich mit seinen Bemerkungen über Doping im Radsport ab sofort zurück und schlägt sich auf die Seite von Team-Telekom Arzt, Lothar HEINRICH. Den hat er nicht im Verdacht zu dopen


22.02.2000

Zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung vor dem Frankfurter Landgericht zwischen dem SPIEGEL und der Telekom, bei der es im Kern darum geht, was von den SPIEGEL -Vorwürfen übrig bleibt 
veröffentlicht Ralf MEUTGENS in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) eine Hintergrundgeschichte zur SPIEGEL -Geschichte: „Die große Informantenverbrennung“. Darin steht, wie die Informationen und ‚Belege’, die DER SPIEGEL für seine kürzlich erschienene Titelstory „Die Werte spielen verrückt“, zustande gekommen sind: mithilfe des inzwischen ‚verbrannten’ Informanten Dieter QUARZ


24.02.2000

Bei der Gerichtsverhandlung vor dem Frankfurter Landgericht wagt DER SPIEGEL nicht gegen die Einstweilige Verfügung vorzugehen, die das Team-Telekom durchsetzen konnte. DER SPIEGEL und die Walter Godefroot GmbH - als Trägerin des Team Telekom - einigen sich außergerichtlich. DER SPIEGEL hat die Unterlassung endgültig anerkannt und unterschrieben. Die Klage wird zurückgezogen. In einem zweiten Prozess, den die Telekom AG und die Walter Godefroot GmbH gegen FRANKE vor dem OLG Frankfurt angestrengt hat, unterliegt FRANKE. Er darf nun nicht mehr behaupten, dass eine Staatsanwaltschaft gegen Team Telekom-Fahrer wegen Dopings ermitteln würde


24.05.2006

Der Doping-Ring fliegt auf. Neben Eufemiano FUENTES nimmt die spanische Polizei auch andere Männer fest, JAKSCHEs Teamchef Manolo SAIZ und den Hämatologen MERINO BATRES, der gemeinsam mit FUENTES das Blutdoping betrieben haben soll. Außerdem finden die Ermittler hunderte Blutbeutel, Dopingmittel und Dokumente. Unter anderem (vermutlich) auch belastendes Material von Jan ULLRICH. Bezüge auf „JAN“ finden sich in Dokument 32. Dieses Dokument besteht aus einer Tabelle, in der Fahrer durch ihre Kürzel auftauchen und mit von FUENTES geliefertem Material in Beziehung stehen. Diese Produkte werden als VINO (Wein - verm. Blut), NINO (Kind – Wachstumshormon), IGNACIO (IGF1) und PCH (Pflaster – Testosteronpflaster). Außerdem gibt es Spalten für den Preis, die gelieferte Menge des Medikaments und den Tag der Zahlung. In ULLRICHS Fall 2970 €. Weiter geht aus den Unterlagen hervor, dass Jan ULLRICH unter der Nummer 1 geführt wurde sowie Jörg JAKSCHE mit der Nummer 20


Radsportjahr 2007 30.04.2007

In Belgien erscheint das Enthüllungsbuch „Erinnerungen eines Radfahrer Pfleger“ von Jef D'HONT 
Im SPIEGEL , Ausgabe 18/2007, gibt es ebenfalls eine große Enthüllung: „Dickes Blut. Die Bekenntnisse eines Insiders aus dem Team Telekom“


30.04.2007

Jef D’HONT berichtet in dem SPIEGEL - Artikel „Der einzige Zeuge“ über sein Leben als Dopingzeuge sowie über sein Buch, dass er über eben jenes geschrieben hat. In dem Buch belastet er das Team-Telekom schwer, welches nach wie vor behauptet sauber gewesen zu sein. Hierbei redet er über interne Machenschaften, um die Dopingkontrollen zu umgehen, und belastet die TdF Sieger von 1996 und 1997 Bjarne RIIS und Jan ULLRICH. Weiterhin beschuldigt er Walter GODEFROOT sowie die Ärzte SCHMID und HEINRICH von der Universitätsklinik Freiburg. Diese hätten hinter dem Doping bei Telekom gesteckt. Dies sei vor allem belastend, da die Universitätsklinik Freiburg in den letzten Jahrzehnten auch Olympia-Mannschaften betreut und Weltmeister gepflegt habe. Weiterhin steht in dem Artikel, dass GODEFROOT die Kosten für die Dopingmittel vorgestreckt habe und die Pfleger dann diese Kosten bei den Fahrern eintreiben sollten. D’HONT wurde drei Monate nach Veröffentlichung des SPIEGEL -Artikels vom 14.06.1999 von SPIEGEL -Redakteuren besucht, woraufhin dieser das Geschriebene bestätigte. Für eine Berichterstattung wollte er sich derzeit jedoch nicht zur Verfügung stellen.

Am selben Tag des Erscheinens des SPIEGEL -Artikels: „Der einzige Zeuge“ erstattet Werner FRANKE Anzeige gegen die beiden Ärzte SCHMID und HEINRICH bei der Staatsanwaltschaft Freiburg. Vorwurf: systematische Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, Rezeptbetrug und Beihilfe zur Körperverletzung


Anfang Mai 2007

Nach den Anschuldigungen von D’HONT werden die beiden Ärzte SCHMID und HEINRICH vom Team T-Mobile suspendiert


23.05.2007

Team Telekom Teamarzt Andreas SCHMID gibt gegenüber der dpa ein Geständnis ab. Er habe die Radsportler unterstützt und habe ihnen auf Anforderung Epo zugänglich gemacht. Allerdings habe er die verbotenen Substanzen nicht ohne Wissen oder gegen den Willen der Sportler verabreicht. Das Nachfolgeteam „T-Mobile“ sei davon jedoch nicht betroffen


September 2007

Werner FRANKE veröffentlicht mit Udo LUDWIG ein Buch mit dem Titel: „Der verratene Sport. Die Machenschaften der Doping-Mafia. Täter, Opfer und was wir ändern müssen“. Dieses Buch handelt von Enthüllungen über internationale Netzwerke des Dopings generell, und z.B. wer überhaupt Täter und wer Opfer ist


09.05.2008

Für GEYER und LUDWIG ist es eine Genugtuung, dass sie den Henri-Nannen-Preis 2008 für ihre Enthüllung über das Doping im Team Telekom bekommen. 
"Sie haben mit ihren Recherchen nachgewiesen, dass auch im Radrenn-Team der Deutschen Telekom verbotene Doping-Mittel verwendet wurden. Die Telekom zog sich daraufhin aus dem Radsport zurück. Die Jury würdigte die Leistung der Journalisten, die immer wieder unter Druck gesetzt wurden, durch drohende Anzeigen-Stornierung auch unter massiven wirtschaftlichen Druck gerieten, ihre Recherchen aber dennoch fortsetzten und schließlich "eine der populärsten Sportarten als großes Kartell von Manipulateuren und Vertuschern entlarvten". (stern.de: 10.05.2008) 
Die Journalisten geben an, dass nicht nur sie selbst mit Diffamierungen zu kämpfen hatten, sondern auch der SPIEGEL musste finanzielle Einbußen hinnehmen, da die Telekom ihre Anzeigen, die bis zum Jahresende (1999) verabredet wurden, nicht geschaltet hat. Der Telekom-Sprecher Jürgen KINDERVATER bezeichnete die Arbeit der Journalisten als „Schmuddeljournalismus in Reinkultur“, „Scheckbuchjournalismus“ und als “Rufmordkampagne“. Stefan AUST hatte keine Einwände gegen den Artikel, obwohl er Mitglied im Medienbeirat der Telekom war. 
Beim SPIEGEL gab es interne Schwierigkeiten auch mit AUST, doch laut GEYER und LUDWIG wurden sie von ihm unterstützt. GEYER und LUDWIG schweigen zu ihren Recherchemethoden und über die Informanten, die sie auch zukünftig auch schützen wollen. Sie geben an Jörg JAKSCHE als Informanten gewonnen zu haben. 
GEYER und LUDWIG bestreiten, dass sie spekuliert haben und sagen, dass sie „journalistische Fakten“ hatten, die sie nicht immer „juristisch belegen“ konnten, aber dennoch die Wahrheit war. Obwohl sie keine „juristisch belegbaren" Fakten hatten, haben sie die Geschichte veröffentlicht. 
Zu dem Artikel „Die große Informantenverbrennung“ ( FAZ ) kritisieren GEYER und LUDWIG, dass sie weder von der FAZ , noch von dem Autor Ralf MEUTGENS angehört wurden und betiteln den Artikel als „Unsinn“. Zu der Rolle von QUARZ oder seinen Aussagen und Dokumenten wollten sie sich nicht äußern. 
Über die Rolle des Sponsors sagen GEYER und LUDWIG, dass die TELEKOM möglicherweise Kenntnis hatte und darüber hinweggesehen hat oder es nicht sehen wollte


Juli-September 2008 (3. Quartal)

QUARZ schildert, dass er für GEYER und LUDWIG einen Vortrag über Doping im Radsport hielt und diese diversen anonymisierten Dokumente enthielt. 
QUARZ hatte die Absicht „Systemkritik“ zu üben und keine bestimmten Personen anzuprangern. QUARZ berichtet, dass GEYER und LUDWIG Interesse hatten das Team Telekom an den Pranger zu stellen und fragten ihn aus, in Bezug auf das Team, doch dieser beantwortete nicht die gezielten Fragen. QUARZ stellte GEYER und LUDWIG seine allgemein gehaltenen Unterlagen zur Verfügung. In der Rohfassung des Artikels war für QUARZ ersichtlich, dass ihm die Rolle des Kronzeugen zugeteilt wurde und QUARZ als Soigneur (als Doping-Versorger), Pfleger und als „Telekom- Mann“ bezeichnet wurde. Laut QUARZ, war er selbst nie für ein bestimmtes Team tätig, sondern betreute nur einzelne Fahrer und sammelte durch diese Arbeit Insiderinformationen. 
QUARZ änderte die Rohfassung und nach dem Erscheinen des Artikels im SPIEGEL , wurden seine Korrekturen angeblich nicht berücksichtigt. Zwei Dokumenten, die der SPIEGEL in dem Artikel veröffentlichte - ursprünlich von QUARZ anonymisiert - wurden vom SPIEGEL mit jeweils einem Bildvermerk Telekom-Fahrern zugeordnet. 
Nach der Artikelveröffentlichung stellte Werner FRANKE, der mit Udo LUDWIG ein Buch veröffentlichte („Der verratene Sport“) und erklärter Dopinggegner ist, eine Anzeige gegen QUARZ wegen Dealens mit Dopingmitteln. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf durchsuchte daraufhin dessen Wohnung. Sie beschlagnahmten seinen Computer und Papiere. 
Die Betreiber GmbH des Team Telekom erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen den SPIEGEL. QUARTZ sollte die Schlüsselrolle für den SPIEGEL auf juristischer und journalistischer Ebene spielen. Vor der Vernehmung von QUARZ durch die Staatsanwaltschaft, suchten LUDWIG und ein Jurist des Verlages QUARZ in seiner Wohnung auf, er sollte eine Eidesstattliche Versicherung unterschreiben, die den Artikel des SPIEGELS als wahr ausweist und auch somit die Behauptungen, dass QUARZ Dopingmittel käuflich erworben und das Team Telekom belastet hat. Ein weiteres Mal wurde QUARZ eine leicht veränderte Version (die fast denselben Wortlaut beinhaltete), der Versicherung zur Unterschrift vorgelegt, die nicht von ihm geleistet wurde. 
Es kam zu einem Treffen zwischen QUARZ, seinem Anwalt, und dem SPIEGEL in Hamburg. Vom SPIEGEL waren Chefredakteur Stefan AUST, GEYER UND LUDWIG und der Verlagsanwalt anwesend. Zwischen allen Beteiligten kam es zu einem Gespräch, indem ein veröffentlichter Artikel im SPIEGEL über die Doping Frühjahrs-Kur eines Radsportlers des Team Telekom aus 1997 stammte und dieser erst 1998 für das Team Telekom fuhr. 
AUST sagte, dass er seinem Freund, Ron SOMMER, der damalige Telekom-Vorstandchef, diese Geschichte als wasserdicht verkaufte und er erbost war über die ungenaue Recherche. Der Sportressortleiter WEINZERL wollte, aus Grund des Informantenschutzes, keine Zusammenarbeit mit QUARZ bestätigen


(tj/mm)