Zivilgesellschaft in Russland seit Dezember 2011: eine Chronik

In Russland regieren Ende des Jahres 2011 Wladimir PUTIN und Dmitrij MEDWEDEW seit 12 Jahren. PUTIN von 2000 bis 2008 als Staatspräsident und sein Freund MEDWEDEW als Ministerpräsident. Die Verfassung sieht vor, dass der Staatspräsident nicht mehr als 2 Amtsperioden, sprich 8 Jahre regieren darf. PUTIN musste 2008 daher abtreten.

Allerdings nur vorläufig, denn PUTIN und MEDWEDEW verabredeten einen internen Deal: sie tauschten die Rollen. MEDWEDEW wurde neuer Staatspräsident und PUTIN gab sich - für 4 Jahre - mit der Rolle eines Ministerpräsidenten zufrieden. Danach - also 2012 - sollten die Rollen erneut getauscht werden: Der Platzhalter für PUTIN, MEDWEDEW, machte den Weg wieder frei.

Als die beiden das auf einer groß inszenierten Parteiversammlung von "Einiges Russland" bekanntgaben, jubelten die Parteigenossen. Draußen stieß es vielen Menschen sauer auf. Dass es bei Wahlen nicht immer mit rechten Dingen zugeht - z.B. in die Staatsduma, der ersten parlamentarischen Kammer, in der "Einiges Russland" eine satte Mehrheit hat - das ist man gewohnt. Aber den jetzt offiziell bekannt gegebenen Deal empfanden immer mehr Bürger als Täuschung. Insbesondere die "Kinder PUTIN's" - jene, die mit PUTIN aufgewachsen und jetzt um die 20 Jahre alt sind. Es regt sich seither Protest - in einem Maße, wie das bisher in Russland seit der Revolution vor knapp 100 Jahren nicht mehr vorgekommen ist.
Wir dokumentieren dieses zivilgesellschaftliche Erwachen seit Dezember 2011, als die Wahlen zur Duma anstanden in einer kleinen Chronik.

04.12.2011

An diesem Tag finden in Russland die Wahlen zur Staatsduma statt. Gleichzeitig in 27 von über 80 Regionen auch Wahlen für die Regionalparlamente.
Im Gegensatz zu früheren Wahlen haben sich viele Bürger z.B. bei Golos engagiert, einer Initiative, die die Wahlen beobachten will. Der Chefredakteur der Internetzeitung gazeta.ru, die auch Englisch publiziert, wird in die Aufsichtsbehörde für Informationstechnologien und Massenkommunikation einbestellt. Man will Michail KOTOW einschüchtern, der in Zusammenarbeit mit GOLOS die Karte der Wahlrechtsverletzungen veröffentlichen will.
Währenddessen mehren sich tagsüber erste Berichte über Wahlfälschungen - via Internet verbreiten sie sich schnell.
Und für den Wahlabend verabreden sich viele "Kinder PUTIN's" - t.w. auch via Parolen:

Am Abend kommt es zu ersten Protestdemonstrationen, die nicht genehmigt sind:

  • auf dem Triumphanaja-Platz in Moskau versammeln sich etwa 300 Menschen. Etwa 100 werden festgenommen
  • auf dem Plowad‘ Revoljutsii - Platz in Moskau werden etwa 90 Menschen festgenommen, darunter auch ihr Anführer Sergej UDALZOW
  • auf dem Roten Platz treffen sich nur wenige - entsprechend weniger werden dort verhaftet.
  • Ähnliches geschieht in anderen Städten, z.B. in St. Petersburg 

05.12.2011

Die Zentrale Wahlkommission veröffentlicht das vorläufige Endergebnis der Dumawahlen:

  • "Einiges Russland", die PUTIN-Partei, erhält 49,41% der Stimmen
  • die Kommunisten (KPRF) 19,15%
  • "Gerechtes Russland" 13,23%
  • die LDPR 11,65%
  • Jabloko kommt mit 3,42% nicht in die Duma.


Die Wahlbeteiligung liegt bei 60,2%.

Im Zentrum von Moskau kommt es erneut zu Demonstrationen: rund 5.000 Menschen. Ilja JASCHIN von Solidarnost und der bekannte Antikorruptions-Blogger Alexej NAWALNY werden tags drauf zu 15 Tagen Haft verurteilt: wegen Nichtbefolgung von Anweisungen der Sicherheitskräfte.
In St. Petersburg protestieren ebenfalls Menschen unerlaubt. Auch dort kommt es zu Verhaftungen


06.12.2011

Jetzt fährt die politische Macht - neben ihrem Heer an Sicherheitskräften - ihre eigenen Ziviltruppen auf: rund 5.000 PUTIN-treue Jugendliche skandieren mit Losungen wie "PUTIN! Russland!" sowie "MEDWEDEW! Ordnung!".
Von den rund 1.500 PUTIN-Gegnern werden etwa 670 festgenommen. Darunter Sergej MITROCHIN, der Vorsitzende der Jabloko-Partei, und Boris NEMZOW.
In St. Petersburg treffen sich rund 300 Oppositionelle, von denen etwa 30 vorübergehend festgenommen werden.
Protestaktionen aber auch in anderen Städten wie z.B. Nischni Nowgorod, Nowosibirsk, Makhachkala, Rostow an der Don


07.12.2011

Im litauischen Vilnius tagt die OSZE und will eine Erklärung ihrer Mitgliedsstaaten zu fundamentalen Freiheiten im digitalen Zeitalter veröffentlichen. Russland lehnt ab. Als die US-amerikanische Außenministerin Hillary CLINTON die Dumawahlen als "unfrei und unfair" bezeichnet, reagiert der russische Außenminister Sergej LAWROW sauer - er reist vorzeitig ab.
Während sich in Moskau auf den berühmten Puschkin-Platz rund 3.000 Anhänger der PUTIN-Partei "Einiges Russland" versammeln, geschieht das Gleiche auf dem Triumfal’naja plowad, allerdings mit weniger Menschen, weil diese Versammlung nicht genehmigt wurde. Rund 20 werden festgenommen


10.12.2011

Die erste Großdemonstration: rund 40.000 Menschen in Moskau


Und wieder kommt es zu Protesdemonstrationen - in ganz Russland.
Moskau erlebt die größte Demonstration seit langem: rund 40.000 Menschen. In St. Petersburg sind es etwa 10.000. Die Forderungen überall:

  • Neuwahlen zur Duma
  • Freilassung aller Festgenommenen
  • Demokratisierung des Staatssystems
  • Rücktritt des Leiters der Zentralen Wahlkommission.


Dieses Ereignis kann selbst das staatliche Fernsehen nicht mehr negieren. Erstmals berichten die staatlich gelenkten TV-Kanäle über die Demonstrationen – mit entsprechendem Unterton.

Unterstützung aber auch in anderen Städten der Welt wie z.B. in London, Paris, Tokyo. In Berlin, wo viele Emigranten leben, versammeln sich etwa 1.000 Menschen - die Bilder sind in einem Blog auf Livejournal festgehalten (siehe aktives Bild)


13.12.2011

Die Zeitschrift Kommersant Wlast, ein Tochterprodukt der Tageszeitung Kommersant hat einen Stimmzettel abgebildet, auf dem ein Leser einen Stinkefinger gegen PUTIN gezeichnet hat. Der Besitzer der Kommersant-Holding und gleichzeitig Generaldirektor der Gazprom-Tochter Gazprominvestmentholding, der nach der Forbes-Liste als Milliardär mit knapp 18 Mrd. US-Dollar gelistet ist und als Oligarch dem Kreml nahesteht, Alischer USMANOW, entlässt den Generaldirektor der Kommersant-Holding, Andrej GALIJEW, sowie den Chefredakteur Maksim KOWALSKIJ. Daraufhin reicht die stellvertretende Chefredakteurin, Veronika KUZYLLO, ihren Rücktritt ein


16.12.2011

Die Moskauer Bildungsbehörde gibt einen Erlass bekannt: Alle Schüler der 9. bis 11. Klasse müssen am 17. oder 24. Dezember eine Halbjahresprüfung im Fach Mathematik ablegen. Für beide Tage sind Demonstrationen der Opposition geplant


17.12.2011

Auf dem Bolonaja-Platz trifft sich die Jabloko-Partei. In Irkutsk, Kaliningrad und auch Samara treffen sich ebenfalls Oppositionelle und demonstrieren. Tage danach gibt es kleinere Versammlungen und Demos in Tscheljabinsk und Brjansk - Russland beginnt sich zu verändern


24.12.2011

Die zweite Großdemonstration für "Ehrliche Wahlen" in Moskau


In den westlichen Ländern der Welt feiert man „Heiligabend“. In Russland gehen die Uhren anders – Weihnachten ist hier erst später.
An diesem 24. Dezember ist es klirrend kalt in Moskau: minus 20 Grad. Trotzdem erlebt die Stadt die bisher größte Demonstration auf dem Sacharow-Prospekt, die auch genehmigt wurde. Motto: "Für ehrliche Wahlen".
Die Organisatoren haben über 50.000 Teilnehmer angemeldet. Die Polizei zählt 20.000, die Organisatoren sprechen von 120.000 Teilnehmern. Wer auf den Bildern die Menschenmassen sieht, erkennt, dass es die bisher mit Abstand größte Demonstration ist. Es sprechen u.a. der gerade wieder aus dem Gefängnis entlassene Antikorruptions-Blogger Alexej NAWALNY sowie der ehemalige Finanzminister von PUTIN, Alexej KUDRIN.
In einer Resolution werden Neuwahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert.
Auch in St. Petersburg, Nowosibirsk, Tscheljabinsk und anderen Städten werden diese Forderungen auf öffentlichen Versammlungen erhoben – öffentlich trotz eisigen Frostes


27.12.2011

Beim russischen (Noch)Staatspräsidenten MEDWEDEW ist ein "Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und Menschenrechte" angesiedelt. Dessen Vorsitzender, Michail FEDOTOW, übergibt an diesem Tag MEDWEDEW ein Rechtsgutachten zum zweiten Strafprozess gegen Michail CHORDORKOVSKIJ. Der hatte sich nicht nur mit seiner Oligarchenrolle des YUKOS-Ölkonzerns zufrieden gegeben, sondern sich auch öffentlich mit PUTIN angelegt. Folge: CHORDOKOVSKIJ wurde u.a. wegen Betrug und Steuerhinterziehung angeklagt, der YUKOS-Konzern zerschlagen und relevante Teile dem staatlichen Rosneft-Konzern zugeteilt, der Oligarch 2005 verurteilt und in ein sibirisches Straflager abgeschoben.
2010 dann das zweite Urteil, diesesmal wegen Unterschlagung und Geldwäscherei: 6 Jahre Straflager.
Kurz darauf, am 14. Februar 2011, meldete sich die Assistentin des Strafrichters Viktor DANILKIN in einem Interview zu Wort. Natalja WASILJEWA berichtete, das Urteil des Richters sei diesem 'von oben' aufgezwungen worden, um das gewünschte Ergebnis sicher stellen zu können.
Amnesty International stuft CHORDOKOVSKIJ und seinen ebenfalls verurteilten Kollegen Platon LEBEDEW als "politische Gefangene" ein. In dem Gutachten von FEDOTOW wird eine Überprüfung des Urteils gefordert


31.12.2011

Wie an jedem Monat mit 31 Tagen treffen sich am Triumph-Platz in Moskau rund 100 Personen zur "Strategie-31" Demonstration, die Artikel 31 der russischen Verfassung durchsetzen will: Versammlungsfreiheit.Seit der ersten Demonstration im Jahre 2009 wurde keine dieser Versammlungen genehmigt. Diesesmal werden 60 Personen von der Polizei vorübergehend festgenommen


13.01.2012

Das Büro "Büro für demokratische Institute und Menschenrechte" der OSZE-Organisation veröffentlicht seinen Abschlussbericht über die Dumawahl am 4. Dezember. Ergebnis: Einen fairen Wettbewerb hat es nicht gegeben.
Gleichzeitig an diesem Tag eine Preisverleihung: Michail BEKETOV, ehemaliger Chefredakteur der Chimkinskaja Prawda, der ständig die Stadtverwaltung von Chimki, den Bürgermeister und den von PUTIN eingesetzten Gourverneur kritisiert und sich für den Schutz des Chimki-Waldes eingesetzt hatte, der einem Autobahnbau weichen soll, war im November 2008 von Unbekannten zum Krüppel zusammen geschlagen worden. Die Folgen: Schädelbruch und Koma; Amputation des rechten Beines und vier Fingern der rechten Hand; Verlust des Sprechvermögens bis heute (2012).
Jetzt erhält er den Medienpreis der russischen Regierung aus höchster Hand: Wladimir PUTIN überreicht ihn höchstpersönlich und verspricht (im Jahr 2012 nach über 3 Jahren) die Untersuchungen zum Überfall "beschleunigen zu lassen". Zynismus pur?
Mehr zu Michail BEKETOV, den Chimki-Wald und die Aktivitäten der Waldschützer unter www.ansTageslicht.de/Beketov


16.01.2012

Vertreter der oppositionellen Gruppen diskutieren zusammen mit PUTIN's ehemaligem Finanzminister Alexej KUDRIN, ob und wie man mit der Staatsmacht Gespräche über politische Forderungen führen könne. Die Diskutanten: Wladimir RYSCHKOW, und Boris NEMZOW von der Bewegung PARNAS, Gennadij GUDKOW von "Gerechtes Russland" und Sergej UDALZOW von der Linken Front.
Am selben Tag veröffentlicht PUTIN in der Zeitung Iswestja einen Beitrag, in dem er auf anstehende Herausforderungen und Aufgaben eingeht. Als Präsidentschaftskandidat kündigt er weitere Veröffentlichungen an, die einen Dialog über die Zukunft Russlands ermöglichen sollen. Die Iswestja gehört mehrheitlich zur Nationalen Medien Gruppe (NMG), die wiederum mit Gazprom Media verbunden ist


18.01.2012

Der russische Generalstaatsanwalt, Jurj TSCHAIKA, übergibt Präsident MEDWEDEW einen Bericht über Unregelmäßigkeiten bei den Dumawahlen: ca. 3.000 Verstöße. Gegen 95 Personen will er Anklage erheben.
Währenddessen trifft sich PUTIN mit Vertretern 'seiner' Massenmedien, um Fragen zu beantworten. Er erklärt sich bereit, sich mit Vertretern der Opposition zu treffen. Wann, wo und wie, sagt er nicht


19.01.2012

An diesem Tag wurden drei Jahre zuvor der engagierte 34jährige Rechtsanwalt Stanislaw MARKELOW und die Journalistin Anastasija BABUROWA auf offener Strasse erschossen. MARKELOW hatte sich für Menschenrechte eingesetzt und u.a. den zusammengeschlagenen Journalisten Michail BEKETOV aus Chimki vertreten. Die junge Journalistin hatte ihn gerade für die Nowaja Gaseta interviewt, als beide auf dem Weg zur U-Bahnstation von hinten erschossen wurden. 2009 hatte es tags drauf eine spontane Demonstration gegeben, in der nicht nur Scherben zu Bruch gegangen waren (Link siehe aktives Foto).
Seither gedenken alljährlich mehrere Menschen dieses Anschlags und der beiden Opfer. Diesesmal sind 600 zusammen gekommen


24.01.2012

Der ehemalige Duma-Abgeordnete von Jablako, Grigorij JAWLINSKIJ, der sich schon 2 Male um das Präsidentenamt beworben hat und bei der Präsidentenwahl am 4. März erneut kandidieren will, muss ausscheiden. Die Zentrale Wahlkommission meint, über 25% der 2,1 Millionen beigebrachten Unterschriften für die Kandidatur seien gefälscht. Die staatliche Kommission wird tags drauf nur 3 andere Bewerber zulassen, je einen der Kommunistischen Partei (KPRF), von "Gerechtes Russland" und einen der Liberalen Partei (LDPR) 


Die unabhängige Wahlbeobachtungsinitiative GOLOS veröffentlicht eine interaktive Karte von Russland mit allen Wahllokalen, in denen ihre freiwilligen Beobachter Wahlfälschungen am 4. Dezember beobachtet hatten: www.kartanarusheniy.org. Dort kann man auch die Hotline 8 800 333-33-50 anrufen, wenn man eigene Beobachtungen etc. durchgeben oder um Rat fragen will.

Zeitgleich an diesem Tag: (Noch)Präsident MEDWEDEW trifft sich mit einer handverlesenen Schar von Studenten der Fakultät für Journalismus der Moskauer Staatlichen (Lomonosov) Universität in der Mokhowaja Str. 9, um Fragen zu beantworten. In diesem Zusammenhang erklärt er, dass er keine Basis für eine Revolution wie in den arabischen Ländern sehe und dass er es nicht ausschließe, selbst wieder für ein "Führungsamt" zu kandidieren


29.01.2012

Weil (erst recht) unangemeldete Demonstrationen mit Risiken verbunden sind und auch einen bürokratischen Vorlauf haben, der die Veranstalter Zeit und Nerven kostet, sind findige Ideen gefragt. An diesem Tag gibt es eine Auto-'Rallye" durch Moskau. Autos, und zwar viele, gehören zum Moskauer Stadtbild.
Die rund 1.000 Autofahrer führen entweder die weiße Binde, das Symobol für die Protestbewegung, manche nur ein weißes Tuch, wieder andere auch nur eine weiße Klopapierrolle am Heckscheibenwischer (siehe das Foto von Echo Moskwy)


31.01.2012

Wie an jedem Monat mit 31 Tagen treffen sich am Triumph-Platz in Moskau auch diesesmal Menschen zur "Strategie-31" Demonstration, die Artikel 31 der russischen Verfassung durchsetzen will: Versammlungsfreiheit.

Seit der ersten Demonstration im Jahre 2009 wurde keine dieser Versammlungen genehmigt. Heute sind wieder etwa 60 Menschen gekommen, von denen die Polizei (wieder) 20 vorübergehend festnimmt


01.02.2012

Ministerpräsident (noch nicht Staatspräsident) PUTIN trifft sich mit jungen Juristen. Er erklärt, er könne sich vorstellen, nach seiner Wahl auch Opponenten politische Ämter anzuvertrauen. Und er gibt zu, bei der Gründung der Partei "Rechte Sache" mitgeholfen zu haben


04.02.2012

Die dritte Großdemonstration für "Ehrliche Wahlen"


Sie führt vom Kaluschskaja Platz zum Bolotnaja Platz. Es sind wiederum mehrere Zehnttausende. Zwischen 40 und 120.000 Menschen, die für "Ehrliche Wahlen" sind.
Parallel dazu versammeln sich etwa 100.000 Anhänger von Ministerpräsident PUTIN an der Gedenkstätte Poklonnaja gora unter. Motto: "Wir haben etwas zu verlieren".
Auch in anderen Städten Russlands finden Demonstrationen sowohl "Für ehrliche Wahlen" als auch für PUTIN statt.

In Berlin lassen sich die emigrierten Sympathisanten einen kleinen Karnevalsumzug einfallen: Man demonstriert vor dem Brandenburger Tor, in der Innenstadt, aber natürlich auch vor der Russischen Botschaft Unter den Linden.
Umzüge und Demos auch in München, Hamburg, Köln, Stuttgart, Freiburg, Leipzig, Frankfurt/M. und anderen Orten in Deutschland


06.02.2012

PUTIN meldet sich in einem 4. programmatischen Artikel zur Entwicklung von Zivilgesellschaft und Demokratie in Russland zu Wort. Er schlägt vor

  • Gesetzesinitiativen online zur Diskussion zu stellen
  • Initiativen, die von 100.000 Menschen unterstützt werden, in die Staatsduma einzubringen
  • eine Stärkung der regionalen Selbstverwaltung durch erhöhte finanzielle Unabhängigkeit
  • einen Beauftragten für die Rechte der Unternehmer
  • eine Überarbeitung des Auswahl- und Vergütungssystems bei Beamten, um die Korruption einzudämmen
  • und dass zur Entwicklung des Rechtssystems Gerichtsurteile zugänglicher und Kollektivklagen erleichtert werden sollen.


Jedenfalls für den Fall, dass er am 4. März zum neuen Staatspräsidenten gewählt werden sollte


08.02.2012

Der oberste Gerichtshof von Russland bestätigt die Ablehnung der Kandidatur des Jabloko-Mitglieds Grigorij JAWLINSKIJ um das Staatspräsidentenamt 


13.02.2012

Und wieder meldet sich PUTIN zu Wort: in einem Artikel der Komsomolskaja Prawda", der russischen 'BILD-Zeitung'. PUTIN macht auf Sozialpolitik und kündigt Maßnahmen zum Bevölkerungswachstum sowie Gehaltserhöhungen für Angestellte an staatlichen Universitäten, eine Erhöhung der staatlichen Stipendien und eine Senkung der Wohnungskosten an. Außerdem ist er gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Alles für den Fall, dass er gewählt würde.
Am selben Tag ist - eigentlich - eine Fernsehdebatte mit den Kandidaten um das Präsidentenamt geplant. PUTIN verweigert sich allen solchen Formen der Präsentation.
Zu einer TV-Debatte um Kulturfragen mit dem zugelassenen Kandidaten PROCHOROW, der bei der Wahl immerhin rd. 8% Prozent der Stimmen auf sich ziehen wird, lässt PUTIN einen Vertreter schicken


14.02.2012

Das Internetportal www.Laender-Analysen.de/Russland/Chroniken veröffentlicht die nachfolgende Meldung betreffend den Radiosender Echo Moskwy. Der gehört zwar zu Gazprom, kann aber bisher immer noch als vergleichsweise freie Stimme unterschiedliche Meinungen über den Äther schicken:
»Gazprom Media«, Mehrheitseigentümer des liberalen Radiosenders »Echo Moskau«, verlangt von diesem eine vorzeitige Neuwahl des Aufsichtsrates Ende März und die Ablösung der unabhängigen Vertreter Jewgenij Jasin, wissenschaftlicher Leiter der Higher School of Economics, und Alexander Makowskij, Jurist. Als Nachfolger für deren Stellen sind Vadim Semjonow, Leiter von »Swjasinwest« und Kommilitone Dmitrij Medwedews sowie Jewgenij Trubin, ehemaliger Leiter von »Lenisdat« im Gespräch. Aus Protest geben Alexej Wenediktow und Wladimir Warfolomejew, der Chefredakteur und sein Stellvertreter, ihre Aufsichtsratsposten zurück, der Generaldirektor Jurij Fedutinow wird als Nachfolger vorgeschlagen. Die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat verschieben sich damit in Richtung »Gazprom Media«.

Am selben Tag fordern etwa 600 Aktivisten von Jabloko den Rücktritt des Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission. Die Versammlung ist nicht genehmigt. Sergej MITROCHIN, der Vorsitzende von Jabloko, wird kuzzeitig festgenommen.

Und noch etwas geschieht an diesm Tag: Der Musik-TV-Sender MTV nimmt die Talkshow "Gosdep" (State Department) nach nur einer einzigen Sendung aus dem Programm. Sie wurde moderiert von Ksenja SOBTSCHAK, der Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von St. Petersburg Anatolij SOBTSCHAK, der früher Förderer von PUTIN war. Ksenija SOBTSCHAK kennt in Russland jeder - sie moderiert seit 2004 die russlandweite Reality-Show "Dom 2" (Haus 2) auf dem staatsnahen Ersten Kanal , die von einem hohen Kreml-Funktionär produziert wird. SOBTSCHAK ist nicht nur Fernsehstar, sondern mit ihren 31 Jahren auch Glamour-Girl der Moskauer High Society - eine Art russischer "Paris HILTON". PUTIN kennt sie persönlich seit ihrer Kindheit.
Am 24. Dezember war sie auf der 2. Großdemonstration "Für ehrliche Wahlen" aufgetreten (siehe Foto). Sie hat damit die Seiten gewechselt - eines der "Kinder PUTIN's".
Jetzt, wo sie bei ihrer zweiten Sendung den bekannten Blogger und Antikorruptions-Kämpfer Alexej NAWALNY eingeladen hat, ist es aus

(Foto links von BOGOMOLOV.PL: K. SOBTSCHAK am 24. Dezember; Foto rechts on A.SAVIN: bekanntes Portraitbild aus der Zeit vor dem 24. Dezember 2011)


18.+19.02.2012

In mehreren Städten gibt es Demonstrationen pro PUTIN. In St. Petersburg werden die Gewerkschaften aktiv mit dem Motto: "Wir brauchen keine große Erschütterung, wir brauchen ein großes Russland!". Rund 50.000 Teilnehmer und Arbeitnehmer nehmen daran teil.
Zeitgleich übernehmen Anhänger von PUTIN die Idee einer Autorallye - rund 1.000 PKW fahren mit Aufschriften wie "aWWtoParty" durch die Moskauer Innenstadt, wobei "WW" für Wladimir Wladimirowitsch (PUTIN) steht.
Tags drauf gibt es die Gegen-Rallye "Für ehrliche Wahlen": 200 Autos.
Während die PUTIN-Fahrer mit der Polizei keine Probleme bekommen, werfen die Ordnungshüter den oppositionellen Autofahrer "Verkehrsbehinderung" vor


20.02.2012

Das Portal www.laender-analysen.de/russland meldet in seiner "Chronik":
"Präsident Dmitrij Medwedew trifft bei Moskau mit Vertretern nicht registrierter Parteien zusammen, um über die Entwicklung des politischen Systems in Russland zu sprechen. Unter den Teilnehmern sind Boris Nemzow, Partei der Volksfreiheit (PARNAS), Wladimir Ryshkow, ehemals Republikanische Partei Russlands und der Co-Vorsitzende von PARNAS, Sergej Udalzow, Linke Front."


21.02.2012

Jetzt bekommt - mal wieder - die regierungskritische Zeitung Nowaja Gaseta Probleme. Die private "Nationale Reservebank", die dem regierungskritischen Oligarchen Alexander LEBEDEV gehört, der auch Mitbesitzer der Zeitung ist und diese finanziell absichert, muss sich eine Überprüfung durch die russische Zentralbank gefallen lassen. In einem solchen Fall werden alle Zahlungsströme unterbrochen.
Zeitgleich wagt es die bekannte Punkgruppe "Pussy Riot" unangemeldet und ohne Genehmigung im "Moskauer Dom", der "Christ-Erlöser-Kathedrale", ein "Punk-Gebet" zu inszenieren. Die drei jungen Frauen, "Kinder PUTIN's", die der "Riot Grrrl Movement"-Bewegung angehören, singen bzw. rocken u.a. "Mutter Gottes, verjage Putin!" (vgl. aktiven screenshot, der zum YouTube-Video führt)

Die Gruppe kann die Aktion vor den zufällig anwesenden Besuchern dieser von STALIN zerstörten und in den 90er Jahren wieder aufgebauten Kathedrale nicht zu Ende bringen. Ordnungskräfte schreiten ein und schleppen die drei jungen Frauen mit Gewalt aus dem Kirchengebäude.

Die ersten beiden Frauen werden am 3. März März verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden, eine dritte kurze Zeit später. Sie werden bis Ende des Jahres 2012 auf einen Gerichtstermin warten müssen ... (siehe auch 30.Juli 2012)


23.02.2012

Rund 100.000 PUTIN-Fans treffen sich im Lushniki-Stadion, organisiert von einer "Allrussischen Volksfront". Motto: "Wir schützen das Land"


26.02.2012

Menschenkette auf dem "Ring B"


Am Vortag demonstrieren in St. Petersburg rund 10.000 Menschen. In Moskau bilden rund 20.000 Menschen eine riesige Menschenkette. Sie umfasst den rund 17 km langen "Gartenring", auch "Ring B" genannt, und geht auch über die Krymski-Brücke. Alles "für ehrliche Wahlen". Eines von vielen Bildern findet sich hier.
Auf dem Revolutionsplatz treffen sich - via flashmob verabredet - 2.000 Personen, ebenfalls "für ehrliche Wahlen"


27.02.2012

(Rechtzeitig) Vor dem Wahltermin berichten die staatlichen Fernsehsender, dass russische und ukrainische Sicherheitskräfte einen Anschlag auf PUTIN vereitelt haben.
Tags drauf verabschiedet die Duma - wenige Tage vor der Staatspräsidentenwahl - ein neues Gesetz zur Parteienregistrierung, das aber erst 2013 in Kraft treten wird. Dann müssen Parteien nicht mehr 40.000 Mitglieder vorweisen, sondern nur noch 500. Außerdem sind nicht mehr in allen Regionen Mindestgrößen von regionalen Parteibüros vorgeschrieben


Schalttag 2012

Die Stadtversammlung von St. Petersburg verabschiedet ein neues Gesetz, das die Propagierung von Homosexualität ab sofort unter Strafe stellt. Händchen halten unter Gleichgeschlechtlichen in der Öffentlichkeit zum Beispiel gilt ebenfalls als Straftatbestand.
Außerdem ist jetzt Pädophilie strafbar


03.03.2012

Der Leiter der Zentralen Wahlkommission, Wladimir TSCHUROW, erklärt einen Tag vor der großen Wahl, dass

  • es im Wahlkampf keine ernsthaften Verletzungen der Spielregeln gegeben hat
  • und alle Kandidaten "Zugang zu den Massenmedien" zwecks Wahlwerbung gehabt hätten 

4. März

Tag der "ehrlichen Wahlen"


Nach Schließung der Wahllokale sieht das Wahlergebnis so aus:

  • rd. 64 % (45 Millionen) Stimmen für PUTIN
  • 17% (12 Millionen) für Gennadij SJUGANOW von den Kommunisten
  • Michail PROCHOROW knapp 8% (5,5 Millionen)
  • für Wladimir SHIRINOWSKIJ von der LDPR 6% (4,4 Millionen.)
  • sowie für Sergej MIRONOW von "Gerechtes Russland" knapp 4 %(2,7 Millionen).


Kurz nach Schließung der Wahllokale treten MEDWEDEW und PUTIN vor die rund 100.000 wartenden Menschen auf dem Manegeplatz. PUTIN: "Wir haben in ehrlichen und freien Wahlen gewonnen. Wir haben gezeigt, dass uns niemand nichts aufzwingen kann. Politische Provokationen, deren Ziel die Zerstörung der russischen Staatlichkeit und die Machtübernahme sind, werden nicht durchkommen."
Tags drauf kommt es, wie geplant, zu einer bei der Moskauer Stadtverwaltung angemeldeten und von dieser genehmigten Demonstration auf dem Puschkin-Platz: 20.000 Menschen demonstrieren


10.03.2012

Auf dem Moskauer Neuen Arbat findet eine genehmigte Grossdemonstration statt: 30.000 Menschen kommen zusammen (siehe aktives Foto).
Nachdem drei Tage zuvor das von der Stadtversammlung in St. Petersburg beschlossene Gesetz gegen das Propagieren der Homosexualität in Kraft getreten ist und viele die Wahlen nicht als "ehrlich" empfinden, ist der Frust bei vielen groß. Die Menge fordert Neuwahlen: für die Duma und das Staatspräsidentenamt


16. + 18. März

Der vom staatseigenen Unternehmen Gazprom Media betriebene TV-Kanal NTW zeigt zur besten Sendezeit einen Film: Anatomie des Protestes. Darin wird unterstellt, die Veranstalter hätten die Demonstranten gekauft.
Als Reaktion kündigt Valerij FADEJEW, Chef des Medienunternehmens "Expert" ("Ekspert"; RU: "Журнал "Эксперт") die Zusammenarbeit mit dem staatlichen Sender auf - er ist sauer, dass man seine Aussagen und Kommentare zweckentfremdet hat: eine "grobe Propagandafälschung" nennt er den Film.
Ekspert ist auch der Name des Business-Magazins, das das Unternehmen herausgibt und das 1995 von Journalisten gegründet wurde, die damals die Zeitung Kommersant (Eigentümer: der kremlnahe Oligarch USMANOW) verlassen haben. Ekspert ist mehrheitlich im Besitz der Journalisten und gehört mit einer Auflage von 90.000 Exemplaren zu den großen Magazinen.
Die Aufregung um den gefakten Film ist groß, insbesondere unter den jungen Menschen, die sich mehr als nur verunglimpft fühlen.
Als Reaktion versammeln sich am 18. März unter dem Fernsehturm "Ostankino" etwa 700 Menschen. Motto: "Beerdigung des ehrlichen Fernsehens". Weil diese spontane Zusammenkunft nicht angemeldet und genehmigt wurde, setzt die Polizei 100 Personen kurzeitig fest. Darunter auch Boris NEMZOW (PARNAS) und Sergej UDALZOW von der "Linken Front".
Der (indirekte) Staatssender NTW lässt den Film abends erneut über den Bildschirm gehen


20.03.2012

Das Moskauer Stadtgericht erklärt die Ablehnung der Registrierung der "Partei der Volksfreiheit – PARNAS" für rechtmäßig.
Gleichzeitig lässt die Duma das neue Gesetz bereits in 2. Lesung passieren, nach dem die Gründung von Parteien erleichtert werden soll. Statt 40.000 künftig nur noch 500 Mitglieder. Und das Justizministerium soll in Zukunft bei "unvollständigen Anträgen" nicht alles gleich ablehnen, "sondern Hilfe leisten".
Dieses Gesetz wird nur wenige Tage später auch in dritter Lesung so durchgehen. Auch der Föderationsrat (ähnlich wie in Deutschland der Bundesrat) nimmt die Novelle des Parteiengesetzes an


31.März

Wie gehabt seit mehreren Jahren: Auf dem Moskauer Triumphal-Platz finden sich rund 200 aktive Anhänger für das Recht auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 31 der Russischen Verfassung zusammen. Wieder werden etwa 60 Personen kurzeitig verhaftet. Ein Foto dieser Aktion findet sich auf dem Blog snob.ru:


April 2012

Dieses Monat verläuft vergleichsweise unaufgeregt, auch wenn es hier und da zu einzelnen Protestdemonstrationen kommt wie beispielsweise am 8. des Monats, als Ewgenija TSCHIRIKOVA mit ihren rund 300 Waldschützern aus Chimki auf dem "Roten Platz" direkt vor dem Kreml demonstriert. Sie und einige andere werden kurzzeitig festgenommen


6. Mai - einen Tag vor der Inthronisation

1. Marsch der Millionen


20.000 Menschen sind auf den Beinen, um gegen die Rückkehr von Wladimir PUTIN in das Staatspräsidentenamt zu demonstrieren, das er bereits von 2000 bis 2008 innehatte und nun aufgrund einer Lücke in der Verfassung sowie eines abgekarteten Deals mit Dmitrij MEDWEDEW erneut übernimmt. An diesem Tag kommt es auch zu mehreren Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und der Polizei - sie nimmt 650 in polizeilichen Gewahrsam. 50 Demonstranten und 29 Angehöriger der verschiedenen Sicherheitsgruppen werden verletzt.

(Fotos: KA)

Gleichzeitig werden an diesem Tag die Internetseiten mehrerer regimekritischer Medien durch sogenannte DDoS-Attacken lahmgelegt. DDoS steht für "Distributed Denial of Service" und bedeutet, dass eine bestimmte Website durch gezielt massenhafte Anfragen technisch in die Knie gezwungen wird.
Betroffen sind v.a. die Medien Scho Moskwy, Kommersant, Doschd TV und Slon


7.Mai 2012

Tag der "Krönung" und der 1. "Spaziergang"


Das, was man nur von Zaren und Kaisern kennt, findet an diesem Tag statt:

  • die gesamte Innenstadt ist hermetisch abgeriegelt - kein Auto, keine Fußgänger ist zu sehen
  • im Kreml selbst findet die feierliche Amtseinführung statt. Viele, die das im Fernsehen live auf allen Kanälen miterleben, empfinden den Pomp wie eine kaiserliche "Krönung"
  • PUTIN hat auch seine besten Freunde eingeladen, die den feierlichen Rahmen durch ihre Anwesenheit und glanzvollen Namen zum Leuchten bringen sollen. Darunter aus den westlichen Ländern: Arnold SCHWARZENEGGER (Kalifornien), Silvio BERLUSCONI (Italien) und Ex-Bundeskanzler Gerhard SCHRÖDER, der PUTIN für einen "lupenreinen Demokraten" hält.


Die glamourös inszenierte Inthronisation hat die Tagesspiegel-Korrespondentin Elke WINDISCH in Moskau beschrieben: Seine Majestät lassen bitten.

Die Bewegung "Occupy Russia" und "Occupy Abay" bauen in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai am Denkmal des kasachstanischen Schriftstellers Abaju KUNANBAJEWU auf dem Boulevard Tschistoprudnom Zelte auf - eine Art von Zeltlager entsteht.
Nach dem "Marsch der Millionen" und den Massenprügeleien und Verhaftungen mehrer Aktivisten sowie normaler Passanten gebiert der oppositionelle Wille eine neue Idee neu: statt Demonstration an einem Ort jetzt einen "Spaziergang" von vielen Menschen durch die Innenstadt - ohne Plakate und Parolen, Nur die weißen Bänder sind zu sehen.
Konkret gelingt es den Teilnehmern von der Großen Steinbrücke zum Boulevard Tschistoprudnomu "spazieren zu gehen" und sich dann dort an dem Dichterdenkmal niederzulassen.
Viele bauen dort auch Zelte auf - es entsteht eine spontane Zeltlageratmosphäre wie man das von anderen Aktionen der weltweiten "Occupy"-Bewegung kennt. Nur diesesmal in Moskau (siehe aktives Bild, dort Link zu weiteren Fotos der Nowaja Gaseta


die Tage danach

Die Idee der "Spaziergänge" zündet. Spazierengehen ist erlaubt, man muss einen "Spaziergang" nicht anmelden und braucht auch keine Genehmigung dazu.
Ab jetzt gehen täglich viele Menschen durch die Moskauer Innenstadt "spazieren" - erkennbar an ihrer weißen Binde.
Sie werden teilweise begleitet von bekannten Schriftstellern und Autoren: Dmitrij BYKOW, Sergej PARCHOMENKO, Andrej BILSCHO, Irina JASSINA, Boris AKUNIN, Julija LATYNINA, Michail DELJAGIN, Michail WINOGRADOW Aleksej MAKARKIN, Andrej MAKAREWITSCH, aber auch Oleg KASCHIN und Gennadij GUDKOW


11.05.2012

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassbourg hat Folgen: Die Nichtzulassung der "Republikanischen Partei" von Wladimir RYSCHKOW ist nicht mit der Europäischen Menschenrechtscharta, die auch Russland unterschrieben hat, vereinbar. Das Justizministerium lässt daher die Registrierung dieser Partei ab sofort zu, weshalb sie künftig auch an Wahlen teilnehmen kann. Die Registrierung erfolgt bereits nach dem neuen gerade geänderten bzw. vereinfachten Parteiengesetz 


15.05.2012

Am 9. Tag des Protestlagers am Gartenring weist das Bezirksgericht den Bezirk und die Polizei an, das Lager zu räumen und "Ordnung und Sauberkeit wieder herzustellen". Anwohner hatten geklagt.
Die Polizei räumt das Lager tags drauf - 20 junge Leute werden verhaftet


danach

Der ehemalige Staats- und wieder neu inthronisierte Ministerpräsident MEDWEDEW nimmt am Internationalen Petersburger Juristenforum teil. In seiner Rede am 17. Mai sagt er dies:

"Wir sollten uns selbst verändern, anstatt einfach nur die Haftung zu verschärfen und während gesellschaftlicher Unruhen Twitter abzuschalten. Niemand ist perfekt, aber wir müssen uns an die neue Welt anpassen."
Außerdem spricht er über die Idee einer "Offenen Regierung", um auch die Zivilgesellschaft in den Gesetzgebungsprozess einzubeziehen.

Tags drauf verkündet das russische Verfassungsgericht eine Entscheidung im Zusammenhang mit Demonstrationen:
Organisatoren von Veranstaltungen (wie z.B. Demonstrationen) dürfen nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Teilnehmerzahl eine "reale Gefahr für die öffentliche Ordnung" darstellt.

Am selben Tag trifft auch das Oberste Gericht von Russland (vergleichbar in DE mit dem Bundesgerichtshof) eine Entscheidung: Die Richter lehnen ein Revisionsverfahren der Urteile gegen Michail CHODORKOVSKI und Platon LEBEDEW ab


19.05.2012

Mehreres geschieht an diesem Tag:

  • in den frühen Morgenstunden räumt die Polizei ein neues Lager, das am Barrikadenplatz entstanden war - 20 junge Leute werden kurzzeitig festgenommen
  • am daraufhin neu ausgesuchten Versammlungsort Staryi Arbat werden weitere 14 kurzzeitig festgesetzt
  • rund 2.000 Moskauer begleiten mehrere Künstler und ihre Kunstwerke auf einem "Spaziergang der Künstler" über den Boulevard-Ring
  • PUTIN unterzeichnet einen Erlaß, nach dem die Fahrzeuge, die mit Blaulicht fahren und sich oft über alle Verkehrsregeln hinwegsetzen (dürfen), von 1.040 auf 569 reduziert werden. Mit Blaulicht fahren nicht nur Polizei, Feuerwehr und Rettungswagen, sondern auch viele Vertreter der Macht und des staatlichen Big Business. Ein 'dickes Auto' mit Blaulicht ist für viele "Bonzen" ein Statussymbol. Entsprechend setzen sie es ein. 

Bereits mehrere 'normale' Autofahrer sind durch solche Rasereien zu Tode gekommen. So z.B. am 25. Februar 2010 in Moskau, als der mit Blaulicht auf der Gegenspur (!) dahinrasende gepanzerte Mercedes des Vizepräsidenten von Lukoil, Anatolij BARKOV, ein 'normales' Auto und dessen Insassen zusammengefahren hatte.

Daraufhin entstand die sehr quirlige und einfallsreiche Protestbewegung "ru-vederko" ("Blaue Eimer" - sie aktives Bild): Autofahrer machen auf dieses Problem dadurch aufmerksam, indem sie auf ihr eigenes Fahrzeug einen kleinen blauen Spielzeugeimer befestigen.
Jetzt reagiert die Macht zumindest mit der Reduzierung dieser Priviliegien - eine ganze Reihe von Bonzen müssen künftig auf dieses Vorrecht verzichten.

Tags drauf findet ein "Kontroll-Spaziergang" auch in St. Petersburg statt, zu dem Künstler und Musiker aufgerufen haben - 800 Menschen gehen "spazieren"


24.05.2012

Sergej UDALZOW ("Linke Front") und Alexej NAWALNY (RosPil) werden aus ihrer 15tägigen Haft entlassen - sie hatten sich auf einer der "Spaziergänge" polizeilichen Anweisungen widersetzt.
Zeitgleich laden Mitglieder der PUTIN-Partei "Einiges Russland" Vertreter der Opposition zu einem Runden Tisch ein - sie wollen über die geplante Erhöhung der Bußgelder diskutieren, die in dem neuen Gesetzentwurf über das Versammlungsrecht vorgesehen sind. Die Strafzahlung soll von 5.000 Rubel (ca 125 €) auf 1 Million Rubel (ca. 25.000 €) bei Zuwiderhandlungen erhöht werden.
Ewgenija TSCHIRIKOWA (Chimki-Wald), Ksenja SOBTSCHAK, Dmitrij GUDKOW ("Gerechtes Russland"), Gennadij SIUGANOW (Kommunistische Partei) und Wladimir SHIRINOWSKIJ (LDPR) verlassen das Treffen vorzeitig - sie empfinden es als "Farce" 


27.05.2012

Und wieder eine Räumung: Auf dem Moskauer Staryj Arbat werden 35 Personen vorübergehend festgenommen - sie haben dort vor einer Woche ein improvisiertes Protestlager aufgeschlagen


31.05.2012

Wie an jedem Monat mit 31 Tagen treffen sich am Triumph-Platz in Moskau treffen sich auch diesesmal Menschen zur "Strategie-31" Demonstration, die Artikel 31 der russischen Verfassung durchsetzen will: Versammlungsfreiheit.Seit der ersten Demonstration im Jahre 2009 wurde keine dieser Versammlungen genehmigt. Heute sind wieder etwa 300 Menschen gekommen, von denen die Polizei (wieder) 80 vorübergehend festnimmt.

An diesem Tag der Zivilgesellschaft übernimmt der deutsche Fußballkaiser Franz BECKENBAUER ein neues Amt: Er wird "Botschafter" der "Russischen Gasgesellschaft" (RGO) für sportliche Großveranstaltungen.
Hauptanteilseigner der RGO ist die staatseigene Gazprom, die über ihre Tochtergesellschaft Gazprom Media vor allem das Fernsehen dominiert (kontrolliert)


4. Juni

Der Anti-Korruptionskämpfer und Blogger Alexej NAWALNY wird wegen "Verleumdung" zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubeln (725 €) verurteilt. NAWALNY hat den Slogan "Partei der Gauner und Diebe" für die PUTIN-Partei geprägt, der seit Beginn der Demonstrationen im Dezember letzten Jahres zu einem gängigen Begriff geworden ist.
Angezeigt hatte ihn ein Duma-Abgeordneter der PUTIN-Partei, Wladimir SWIRID. Der fordert nun seine Duma-Kollegen auf, in gleicher Sache noch mehr Anzeigen zu stellen


5. Juni

Das Portal laender-analysen.de/russland berichtet über das neue Versammlungsgesetz:
Die Staatsduma verabschiedet in zweiter und dritter Lesung die Novelle zum Versammlungsgesetz. Die zweite Lesung zog sich über elf Stunden, da Abgeordnete der Kommunistischen Partei und von »Gerechtes Russland« aus Protest gegen das Gesetz fast 400 Änderungsanträge einbrachten. Das Gesetz sieht u. a.

  • die Einrichtung ausgewiesener Demonstrationsorte in jedem Föderalsubjekt vor.
  • Die Maximalstrafe bei Verletzung der Versammlungsvorschriften erhöht sich auf 300.000 Rubel (ca. € 7.400) (im ersten Entwurf noch 1,5 Mio. Rubel, ca. € 37.000), für Amtspersonen auf 600.000 Rubel (ca. € 15.000).
  • Die Überschreitung der angemeldeten Teilnehmerzahl kostet die Organisatoren nun bis zu 50.000 Rubel (ca. € 1.200).
  • Zudem wird ein Vermummungsverbot eingeführt.


Michail FEDOTOW, Vorsitzender des Menschenrechtsrates beim Präsidenten, bat die Parlamentarier vergeblich, das Gesetz zu überarbeiten, da es in vielen Punkten russischen Gesetzen widerspreche. Andrej WOROBJOW, Vorsitzender der Dumafraktion von "Einiges Russland", erklärt nach der Verabschiedung des Gesetzes:

"Heute wurde ein Gesetzesprojekt verabschiedet, das allen europäischen Normen entspricht und das die Logik des demokratischen Charakters unserer Transformation fortsetzt"

Vor der Staatsduma demonstrieren mehrere Vertreter der Partei Jabloko, ca. 70 Personen werden vorübergehend festgenommen.
Der Föderationsrat verabschiedet das Gesetz einen Tag später. PUTIN unterzeichnet es nochmals 2 Tage später, so dass es bereits tags drauf, am 9. Juni in Kraft treten kann - rechtzeitig vor dem 2. "Marsch der Millionen" am 12. Juni. In Deutschland würde man bei einem solchen Gesetzgebungsverfahren von „durchpeitschen“ sprechen.
Währenddessen einigen sich die Moskauer Stadtverwaltung und Vertreter der Oppositionsgruppen darauf, dass der 2. "Marsch der Millionen" in Moskau vom Puschkin-Platz zum Sacharow-Prospekt führen darf - genehmigt für maximal 50.000 Personen


danach bzw. vor dem 2. "Marsch der Millionen"

Wohnungsdurchsuchungen bei mehreren Oppositionellen


Das russische Untersuchungskomitee bei der Generalstaatsanwaltschaft nimmt 5 weitere Teilnehmer des 1. "Marsches der Millionen" vom 6. Mai in Gewahrsam. Vorwurf: Sie hätten sich an gewaltsamen Ausschreitungen beteiligt.
Einen Tag vor dem 2. "Marsch der Millionen" lässt das Untersuchungskomitee die Wohnungen mehrerer Akktiver durchsuchen:

  • sowie bei der bisher landesweit bekannte Fernsehmoderatorin Ksenja SOBTSCHAK. Sie ist eines der typischen "Kinder PUTIN's", und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Ihr Vater, der frühere Bürgermeister von St. Petersburg, hatte einst Wladimir PUTIN politisch groß gezogen - PUTIN ist mit der Familie eng befreundet und kennt die 21jährige seit ihrer Kindheit. Jetzt hat der bekannte TV-Star die Seiten gewechselt. Folge: Sie moderiert jetzt nicht mehr beim staatlichen Fernsehen.


Alle Durchsuchten müssen sich am nächsten Tag, dem 2. "Marsch der Millionen" vor Beginn der Großaktion persönlich beim Untersuchungskomitee einfinden - sie sollen als Zeugen zum 1. Marsch am 6. Mai aussagen


12. Juni 2012

Der 2. "Marsch der Millionen"

(Fotos: KA)

Die Sicherheitskräfte sprechen von 18.000 Teilnehmern, die Organisatoren von rund 100.000. Fest steht, dass es einer der größten Demonstrationen dieser Art in Moskau ist.
Auf der Abschlusskundgebung wird ein "Manifest des freien Russland" verabschiedet:

  • Freilassung der politischen Gefangenen
  • reale politische Reformen
  • Zugang der Opposition zu den staatlich kontrollierten Fernsehsendern
  • vorgezogene Duma- und Präsidentenwahlen.


Parallel zu den Aktionen auf der Strasse verleiht Staatspräsident PUTIN mehreren ausgewählten Personen des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens in feierlichem Rahmen Auszeichnungen. Er betont dabei den "Wert einer evolutionären, nachhaltigen Entwicklung. Nicht zulässig ist alles, was das Land schwächt, die Gesellschaft entzweit. […] Scharfe Diskussionen sind die Norm für ein freies und demokratisches Land, und eben diese Richtung hat unser Volk gewählt."


16. Juni

Die "Partei der Volksfreiheit" (PARNAS) und die "Republikanische Partei Russlands (RPR) beschließen auf ihren Parteitagen, sich zu vereinigen. Die neue Partei heißt jetzt "RPR-PARNAS". Vorsitzende sind jetzt Wladimir RYSCHKOW, Boris NEMZOW und Michail KASJANOW.
Zeitgleich werden 8 Menschen verhaftet, die vor dem Strafverfolgungskomitee für die Inhaftierten demonstrieren, die am 6. Mai, dem 1. "Marsch der Millionen" verhaftet wurden


20. Juni

Das Bezirksgericht Khamovnichesky unter ihrem Richter Viktor DANILKIN, der auch im zweiten Prozess gegen den ehemaligen Ölmagnaten CHODORKOWSKI "Recht gesprochen" hatte, verlängert die Untersuchungshaft gegen die 3 jungen Frauen der "Pussy Riot"-Punkrockgruppe (siehe 21. Februar). Die Polizei verhaftet mehr als 20 Sympathisanten, die vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren


5.Juni

Das Portal laender-analysen.de/russland meldet:
"Aus Protest gegen die neuen Regeln zur Bildung des Rates für Menschenrechte beim russischen Präsidenten reichen Valentin Gefter, Direktor des Instituts für Menschenrechte, und Boris Pustynzew, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation »Zivilgesellschaftliche Kontrolle« ihren Rücktritt ein. Am Folgetag gibt auch Igor Jurgens, Vize-Präsident der russischen Union der Industriellen und Unternehmer, seinen Sitz im Rat auf. Somit haben seit Dezember 2011 insgesamt 17 Mitglieder den Menschenrechtsrat verlassen."
Am selben Tag muss der alternative Internet-TV-Sender Doschd TV (Rain TV) die beliebte Sendung "Parfenow.Posner" einstellen. Der staatliche Sender Erster Kanal hat den jungen Wladimir POSNER vor die Wahl gestellt, entweder Doschd TV oder den Ersten Kanal zu verlassen


danach

Gennadij GUDKOW ("Gerechtes Russland") verkauft seine im Familienbesitz stehende Sicherheitsfirma. Die Behörden sind in letzter Zeit massiv gegen sein Unternehmen vorgegangen, um die Firma zu schikanieren. So wurde es den Mitarbeitern behördlich untersagt, Waffen zu tragen.
Am 29. Juni bringt die PUTIN-Fraktion "Einiges Russland" in der Duma eine Gesetzesnovelle ein. Danach sollen alle NGO's, die Gelder aus dem Ausland erhalten und sich politisch in Russland betätigen, in einem speziellen Register beim Justizministerium als "ausländische Agenten" eingetragen werden. Diese neu beabsichtigte Regelung soll vor allem einschüchtern, insbesondere die NGO "GOLOS", die die beiden Wahlen beobachtet hatte und aus den USA finanziert wird. Diese Regelung könnte aber auch beispielsweise die Michail-GORBATSCHOW-Stiftung betreffen, die auch in London residiert. Mit deren Geld wird t.w. auch (neben dem Milliardär LEBEDEW) die kritische Zeitung Nowaja Gaseta finanziert 


10+11.Juli

Das Portal laender-analysen.de/russland meldet:
"Präsident Wladimir Putin trifft mit Michail Fedotow, dem Vorsitzenden des Menschenrechtsrat beim Präsidenten, Wladimir Lukin, dem Beauftragten für Menschenrechte, sowie Boris Titow, dem Beauftragten für die Unternehmerrechte, zu einem Gespräch zusammen. Im Mittelpunkt steht die Gesetzesnovelle zu Nichtregierungsorganisationen, die bei ausländischer Finanzierung den Titel »ausländischer Agent« tragen sollen. Putin lässt bei der Regierung anfragen, ob die Finanzierung für NGOs bei Verabschiedung des Gesetzes von ein auf drei Milliarden Rubel (ca. € 25 bzw. 75 Million) erhöht werden kann."
Die Duma verabschiedet endgültig ein Gesetz, das ab November 2012 zum Zwecke des "Kinderschutzes" die Einführung eines Registers vorsieht, auf denen durch Behörden gesperrte Internetseiten gelistet sind. Angeblich um Inhalte zu verhindern, in denen es um Kinderpornographie, Drogen und Selbstmord geht.

Gegen das russische Vorhaben protestieren die großen Portale yandex.ru und wikipedia.org. Wikipedia sperrt an diesem Tag seinen kompletten russischen Auftritt (siehe screenshot).

Auch in Deutschland gab es derlei Versuche, die aber durch heftigen Protest im Vorfeld abgewehrt werden konnten - die (berechtigte) Sorge, dass mit diesem Vorwand letztlich Zensur auf ganz andere Inhalte und Websites ausgeübt werden sollte, war flächendeckend. Die Initiatorin, Ministerin Ursula von der LEYEN, trägt seither auch den Spitznamen "Zensursula"


20.Juli

Während man in Deutschland der "Widerstandskämpfer des 20. Juli" gedenkt, verlängert (der CHODORKOWSKI-)Richter Viktor DANILKIN vom Bezirksgericht Khamovnichesky die Untersuchungshaft für die drei "Pussy Riot"-Frauen, Nadezhda
TOLOKONNIKOWA, Yekaterina SAMUZEWITSCH und Maria ALJOCHINA um weitere 6 Monate bis zum 12. Januar 2013. Vorwurf: Rowdytum. Darauf stehen laut § 213 des russischen Strafgesetzbuchs bis zu 7 Jahre Haft 


26.Juli

Rund 2.000 Menschen nehmen an einer Aktion teil, bei der es um die Freilassung der politischen Gefangenen vom 6. Mai geht. Derzeit befinden sich noch immer 16 Personen im Gefängnis, die am "1. Marsch der Millionen" teilgenommen haben. Auf der Website www.6may.org finden sich die Namen und andere Informationen. Hier sind einige Schnappschüsse von der Aktion:

(Fotos: KA)


30.Juli

Am Chamowniki-Bezeirksgericht (Khamovnichesky), vor dem auch schon CHODORKOWSKI verurteilt wurde, sitzen jetzt die 3 Frauen der Punkrockband "Pussy Riot" im Glaskasten:

  • Nadeschda TOLOKONNIKOWA, 22 Jahre und Ehefrau des Künstlers Peter WERSILOW, Mutter eines kleines Kindes
  • Maria ALJOCHINA, 23 Jahre und ebenfalls Mutter eines kleinen Kindes
  • und Jekaterina SAMUZEWITSCH, 28 Jahre.


Es ist der erste Verhandlungstag. Anklagevorwurf: Rowdytum bzw. Hooliganismus. Höchststrafe: 7 Jahre Gefängnis.
ALJOCHINA erklärt das Motiv, in der Kathedrale unerlaubt aufgetreten zu sein:

  • Nicht Feindschaft gegen Kirche oder Gläübige
  • sondern dass sich der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche KIRILL zugunsten PUTIN's in den Präsidentenwahlkampf eingeschaltet habe.


SAMUZEWITSCH lässt über ihren Anwalt eine Stellungnahme verlauten: "Dieser Prozess ist der Anfang einer autoritär-repressiven Kampagne, um die politische Beteiligung zu senken und Bürger einzuschüchtern."

Einen ausführlichen Hintergrundbericht über den Beginn des Prozesses hat Moritz GATHMANN am 1. August im Tagesspiegel geschrieben: Auf Teufel komm raus.
Der konkrete Ausgang des Prozesses ist noch nicht abzusehen - obwohl sich unzählige Künstler weltweit für die "Pussy Riots" eingesetzt haben und PUTIN während seines Besuches seiner Olympioniken in London öffentlich erklärt, dass er der Meinung ist, dass "das Urteil nicht allzu hart ausfallen" sollte. Nichtsdestotz: Der Staatsanwalt Alexander NIKIFOROW fordert 3 Jahre Haft und kann sich darauf verlassen, dass seinem Antrag im Prinzip gefolgt wird.
Bereits im Jahre 2010 hatte er in einem anderen Fall 3 Jahre Gefängnis wegen "Aufstachelung zu religiösem Hass" gefordert: in einem Prozess gegen den Schriftsteller Andrej JEROFEJEW. Der hatte zusammen mit Jurj SAMODUROW in einer Ausstellung unter dem Titel "Verbotene Kunst" religionskritische moderne Bilder gezeigt. Doch vor zwei Jahren hieß der Staatspräsident noch MEDWEDEW - das Urteil endete mit einer Geldstrafe 


17. August

Doch jetzt scheint MEDWEDEW als Ministerpräsident nicht nur auf dem Abstellgleis zu stehen, sondern auf der Abschussliste, seit ein seltsames und über 40 Minuten langes Video auf YouTube zu sehen ist. Darin wird der Ex-Präsident durch Aussagen hoher Militärs belastet, dass sein zögerliches Eingreifen beim Georgien-Krieg unnötig viele Menschen mit ihrem Leben hätten bezahlen müssen.

Mit zwei Jahren Gefängnis müssen die drei Pussy Riot-Frauen ihr "Punkgebet" bezahlen. Die Richterin Marina SYROWA, die die Angeklagten des "Rowdytums aus religiösem Hass" für schuldig befunden hat, verhängt gegen alle je zwei Jahre Gefängnis.
Die Verteidiger wollen jetzt in Berufung gehen - durch alle Instanzen. Bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassbourg.

Trotz alledem: Die neue Zivilgesellschaft wird sich weiter entwickeln ...

Ein nächster großer Termin der Millionen ist für den 15. September angesetzt ...

Und noch eine Nachricht macht die Runde: PUTIN hat einen weiteren Mitarbeiter gewinnen können: Josef ACKERMANN, ehemals Chef der Deutschen Bank AG und nach seinem Abgang 2012 jetzt Verwaltungschef der Schweizer Zürich-Versicherung.
Der ehemalige Deutsch-Bankier wird Berater in einem Gremium, das die im Entstehen befindliche staatliche "Rosfinanzagentstwo" (Russische Finanzagentur) steuern bzw. deren Vermögensmasse in Höhe von rd. 75 Milliarden Euro (3 Billionen Rubel) optimieren soll. Deren Zweck: u.a. die Staatsausgaben zu finanzieren, wenn Gas- und Ölpreise sinken. So wird ACKERMANN zu einer wichtigen Stütze des russischen Machtapparats, nicht der Zivilgesellschaft


15.September 2012

Der "Dritte Marsch der Millionen" verliert erstmals an Schwung: 'nur' ca. 30.000 Menschen folgen den Aufrufen und gehen auf die Strasse. Es sind vor allem die linken Bewegungen, die das Strassenbild und die Aufrufe prägen, was offenbar viele aus dem 'bürgerlichen' Lager von einer Teilnahme abhält. Ebenso bleiben führende liberale Oppositionelle der Kundgebung fern - ihnen sind die 'linken' Forderungen zu unrealistisch.
Sergej UDALZOW, einer der linken Anführer, wird am Ende kurzfristig festgenommen, aber wieder freigelassen.
Die Oppositionsbewegung muss sich offenbar neu orientieren, wie es künftig weitergehen soll ...

Lesen Sie weiter unter Strategiewechsel: Die Zivilgesellschaft seit Mitte 2012 - Teil 2 der Chronik



(AB + AM; AK; JL)