Die Berichte der Stuttgarter Nachrichten, 27.02.2008

von Jürgen BOCK

Notärze halten Hilfsfristen nicht ein

Jeder zehnte Notarzteinsatz in Stuttgart ist später als zulässig am Unglücksort - damit ist das gesetzlich erlaubte Maß um das Doppelte überschritten.
Das hat Ordnungsbürgermeister Martin Schairer am Dienstag einräumen müssen - und bestätigt damit Berichte unserer Zeitung. Jetzt verlangt Schairer einen zusätzlichen Notarzt.


Im November hatte Schairer dem Gemeinderat ein nichtöffentliches Papier vorgelegt, in dem sich erschreckende Zahlen finden. In Stuttgart ist die Notfallrettung demnach so schlecht ausgestattet wie in keiner vergleichbaren deutschen Großstadt. Dadurch werde die gesetzliche Hilfsfrist von 15 Minuten nicht eingehalten, berichtete der Ordnungsbürgermeister auf Anfrage der Grünen. Unmittelbare Konsequenzen zog er, als Rechtsaufsicht des zuständigen Bereichsausschusses aus Rettungsdiensten und Krankenkassen, aber zunächst nicht.

Als die Zahlen durch mehrere Berichte in unserer Zeitung öffentlich wurden, löste das heftige Diskussionen aus. Das Deutsche Rote Kreuz ruderte zurück, die Integrierte Leitstelle sprach von Softwareproblemen, und Schairer kündigte an, die Einsatzstatistik nochmals überprüfen zu lassen. Erste Ergebnisse dieser Kontrolle liegen jetzt schneller vor als zunächst angekündigt und bestätigen die Berichte. In einer Krisensitzung des Bereichsausschusses teilte Schairer mit, dass im Jahr 2007 nur in 90,12 Prozent der Notfälle der Notarzt den Einsatzort innerhalb der vorgeschriebenen 15 Minuten erreicht hat. Gesetzlich festgesetzt ist eine Quote von mindestens 95 Prozent. Da hilft es auch nicht, dass der Notarzt nach den neuen Berechnungen im Schnitt nach neun Minuten und 50 Sekunden eintrifft.

Als Vertreter der Rechtsaufsichtsbehörde habe er deshalb den Bereichsausschuss angewiesen, "durch planerische und organisatorische Maßnahmen unverzüglich die Hilfsfrist für die notärztliche Versorgung in Stuttgart sicherzustellen", teilt Schairer mit. Konkret beinhalte das die Empfehlung, einen weiteren Notarzt täglich rund um die Uhr in Dienst zu stellen. Bisher sind tagsüber drei, nachts zwei Notärzte im Einsatz.
Neue Zahlen zu den Zeiten der Rettungswagen liegen noch nicht vor. Hier rechnet Schairer mit Ergebnissen in drei Wochen. Im November-Bericht hatten die Rettungswagen die Hilfsfrist aber noch deutlicher überschritten als die Notärzte. Falls sich das bestätigt, kündigt der Ordnungsbürgermeister bereits an, auch hier den Auftrag zu Sofortmaßnahmen geben zu wollen.

Der Bereichsausschuss hat am 13. März eine Sondersitzung anberaumt. Dann sollen Verhandlungen mit den Krankenkassen Lösungen auf den Tisch bringen.

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